Fast viereinhalb Jahre wird der israelische Soldat Gilad Schalit als Geisel der radikalislamischen Hamas schon gefangen gehalten. Keiner weiß, wo genau, denn die Hamas verweigert jeglichen Kontakt zu dem 24-Jäh- rigen. Selbst internationalen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz wurde ein Besuch nicht gestattet.
Doch damit möchte sich die International Association of Jewish Lawyers and Jurists (IAJLJ) nicht abfinden. Die deutsche Sektion dieser weltweiten Nichtregierungsorganisation wird am 10. Dezember, dem Tag der internationalen Menschenrechte, im Berliner Stadtteil Lichterfelde vor der deutschen Dependance des Roten Kreuzes demonstrieren. Damit möchte sie der Hilfsorganisation das Leid Gilad Schalits in Erinnerung rufen. Die IAJLJ wirft dem Roten Kreuz vor, nicht alles in seinen Möglichkeiten Stehende für die Geisel zu tun. Unterstützt wird der Juristenverband von Chabad Lubawitsch und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
»Wir wollen nicht gegen das Rote Kreuz demonstrieren«, sagt Peter Diedrich vom Vorstand der IAJLJ, »aber wir erbitten deren dringliche Hilfe. Und das auch international«. Am gleichen Tag sollen Kundgebungen in New York, Paris, Rom und Tel Aviv stattfinden. Ziel ist, das Rote Kreuz dazu zu bewegen, »die Hamas endlich anzuprangern und zu verurteilen«. In einem Schreiben der IAJLJ heißt es: »Die Tatenlosigkeit des Roten Kreuzes in dieser Angelegenheit ist unwürdig, zumal es eine Delegation im Gazastreifen unterhält, welche hinsichtlich anderer menschenrechtsrelevanter Themen durchaus mit der Hamas in Verbindung steht.«
Kontakt Den Vorwurf der Tatenlosigkeit weist man bei der Hilfsorganisation zurück. Eine Sprecherin des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Genf sagte der Jüdischen Allgemeinen, die Forderung, den Soldaten zu besuchen, sei »auf der höchsten Entscheidungsebene bei Gesprächen mit der Hamas stets wiederholt« worden. Auch mit der Familie der Geisel und der israelischen Regierung sei man in ständigem Kontakt. Was die anstehenden Demonstrationen angehe, »so ist es nicht die Aufgabe des Roten Kreuzes, sie zu kommentieren«.
Am Berliner Sitz der Organisation hat man Verständnis für die Kundgebung. »Ich empfinde Sympathie, dass man sich zu uns begibt, wenn man verzweifelt ist«, sagt der Sprecher Fredrik Barkenhammar. Er verweist zugleich darauf, dass es Hunderttausende Menschen gibt, die verzweifelt sind. Das Rote Kreuz sei die einzige humanitäre Organisation, die in der Lage ist, sich um sie zu kümmern. Dies nicht hinreichend zu nutzen, wirft die IAJLJ der Hilfsorganisation vor. Mehr als vier Jahre nach der Verschleppung Schalits habe es das Rote Kreuz »nicht für nötig erachtet, einen Aufschrei zu verursachen oder die Hamas öffentlich für ihr Verhalten zu verurteilen«, heißt es im Demonstrationsaufruf.
Neutralität Die Forderung, die Hamas endlich zu verurteilen, weist Barkenhammar zurück: »Wir müssen neutral bleiben, das ist unser Kapital. Wir beziehen in Konflikten grundsätzlich keine Stellung.« Nur so lasse sich die humänitäre Tätigkeit aufrechterhalten.
»Das Internationale Rote Kreuz achtet darauf, dass die Bedingungen der Genfer Konvention eingehalten werden: dass sich die Gefangenen waschen können, nicht gefoltert werden und ihre Religion frei ausüben dürfen«, betont Barkenhammar. Schließlich sei es seiner Organisation im Jahr 2009 gelungen, über 480.000 Menschen zu besuchen. Denn »das ist für sie oft die einzige Möglichkeit, Kontakt zu ihren Familien zu halten«. Gilad Schalit gehört bislang nicht dazu.