Politik

Gespräche in Jerusalem

Schalom mit Ellenbogen: der deutsche Außenminister Heiko Maas und sein israelischer Amtskollege Gabi Aschkenasi Foto: Flash90

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) besucht am Mittwoch Israel, um mit der neuen Regierung dort vor allem über die geplante Annexion von Palästinensergebieten zu sprechen. In Jerusalem und Tel Aviv wird der SPD-Politiker Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, den neuen Außenminister Gabi Aschkenasi und den neuen Verteidigungsminister Benny Gantz treffen.

VIDEO-GESPRÄCH Auf den sonst üblichen Besuch bei der palästinensischen Regierung in Ramallah verzichtet Maas unter Verweis auf die »erschwerten Bedingungen« wegen der Corona-Pandemie. Es ist allerdings ein Gespräch per Video mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje von Jordanien aus geplant, der zweiten Station der Reise.

Nach Angaben Schtajes hat die israelische Regierung den Besuch in Ramallah nicht erlaubt. »Das ist kein gutes Zeichen«, sagte der Regierungschef am Dienstag. »Israel sollte ihm nicht seine politische Agenda diktieren.«

Die neue israelische Regierung ist am 17. Mai nach einer beispiellosen politischen Hängepartie mit drei Wahlen innerhalb eines Jahres vereidigt worden. Maas ist der erste hochrangige Regierungsvertreter aus dem Ausland, der die neue Regierung besucht. US-Außenminister Mike Pompeo war allerdings schon kurz vor der Vereidigung im Mai trotz Corona-Pandemie dort.

JUGENDARBEIT Vor Beginn seiner Reise teilte Maas mit: »Deutschland und Israel feiern in diesem Jahr 55 Jahre diplomatische Beziehungen. Wir wollen deshalb die deutsch-israelischen Jugendarbeit stärken und die Förderung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem fortsetzen. Deutschland übernimmt im Juli die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union und die Zusammenarbeit Europas mit Israel wird eines der Themen unserer Gespräche sein. Regional wird es in den Gesprächen auch um die Krisen in der Region, Iran und Syrien gehen.«

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, betonte die Bedeutung des Besuches des deutschen Außenministers trotz der widrigen Umstände. »Er spiegelt die Tiefe und Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen für beide Länder wider«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Ich bin sicher, dass dieser Dialog unsere bilateralen Beziehungen und unser Verständnis für die vor uns liegenden Herausforderungen weiter stärken wird.«

TRUMP-PLAN Die israelische Regierung will auf Grundlage von Trumps Nahost-Plan bis zu 30 Prozent des besetzten palästinensischen Westjordanlands annektieren. Die ersten Schritte können nach dem Koalitionsvertrag bereits am 1. Juli eingeleitet werden – genau an dem Tag, an dem Deutschland die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union und den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nimmt.

Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Moderatorenrolle bei der Frage, ob die EU mit Sanktionen auf eine Annexion reagieren soll. Bei einer Videokonferenz der Außenminister im Mai gab es dazu unterschiedliche Meinungen. Die nächsten Beratungen auf dieser Ebene sind für kommenden Montag geplant.

Maas sagte dazu vor seiner Abreise: »Die aktuellen Entwicklungen im Nahostfriedensprozess und mögliche Annexionspläne beschäftigen viele Menschen in Israel – und auch in der Europäischen Union. Deutschland sieht sich dem Ziel einer verhandelten Zweistaaten-Lösung unverändert verpflichtet. Auch darüber werden wir sprechen und ich werde unterstreichen, dass wir bereit sind, alle Initiativen zur Wiederbelebung von Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zu unterstützen.«

GRATWANDERUNG Für den deutschen Außenminister ist der Besuch eine schwierige Gratwanderung. Wegen des Holocaust haben Deutschland und Israel besondere Beziehungen zueinander. Die Sicherheit Israels zählt zur deutschen Staatsräson und es ist kaum vorstellbar, dass sich Deutschland aktiv für Strafmaßnahmen gegen Israel einsetzt. Andererseits hat die Bundesregierung die israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten stets deutlich kritisiert und würde eine Annexion von Gebieten im Westjordanland als Völkerrechtsbruch bewerten.

In Israel weiß man das. »Wir glauben, dass Deutschland nicht einmal im Fall einer Annexion einen palästinensischen Staat anerkennen würde, und auch Sanktionen gegen Israel nicht unterstützen wird«, sagte ein Regierungsvertreter vor dem Besuch von Maas.

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Israel sieht in seiner Siedlungspolitik anders als die EU keinen Rechtsbruch.

GERICHT Israels Oberstes Gericht kippte am Dienstag aber ein umstrittenes Siedler-Gesetz. Es beeinträchtige die Rechte der palästinensischen Bevölkerung und sei nicht verfassungsgemäß, teilte das Gericht mit. Das israelische Parlament hatte das Gesetz 2017 verabschiedet, es wurde aber kurz darauf auf Eis gelegt. Das Gesetz sah die rückwirkende Legalisierung von Tausenden Siedlerwohnungen im besetzten Westjordanland vor. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten es damals verurteilt.

Für Maas ist es die erste Reise in ein Land außerhalb der Europäischen Union seit Beginn der Corona-Krise. Bisher war er nur in Europa unterwegs und besuchte Luxemburg und die Niederlande. In Israel gilt eigentlich noch ein Einreiseverbot für Ausländer.

Am Tag vor dem Ministerbesuch telefonierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin. Zu genauen Inhalten wurde nichts bekannt. Rivlin twitterte lediglich, dass es neben einem wegen Corona ausgefallenen Besuch Steinmeiers in Israel auch um »Themen auf der regionalen Agenda« ging. dpa

Meinung

Ein Bumerang für Karim Khan

Die Frage der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshof für Israel muss erneut geprüft werden. Schon jetzt ist klar: Der Ruf des Gerichts und seines Chefanklägers wird leiden

von Wolf J. Reuter  25.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

80 Jahre nach Kriegsende

»Manche Schüler sind kaum noch für uns erreichbar«

Zeitzeugen sterben, der Antisemitismus nimmt zu: Der Geschichtsunterricht steht vor einer Zerreißprobe. Der Vorsitzende des Verbands der Geschichtslehrerinnen und -lehrer erklärt, warum Aufgeben jedoch keine Option ist

von Hannah Schmitz  25.04.2025

Washington D.C.

Trump beschimpft Harvard als »antisemitische, linksextreme Institution«

Der US-Präsident geht vehement gegen Universitäten vor, die er als linksliberal und woke betrachtet. Harvard kritisiert er dabei besonders heftig

 25.04.2025

Berlin/Jerusalem

Herzog kommt in die Bundesrepublik, Steinmeier besucht Israel

Der Doppelbesuch markiert das 60-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern

 25.04.2025

«Nie wieder»

Dachauer Gedenkstättenleiterin warnt vor ritualisierten Formeln

Die KZ-Gedenkstätte Dachau erinnert am 4. Mai mit einer großen Feier mit 1.800 Gästen an die Befreiung des ältesten Konzentrationslagers durch amerikanische Truppen am 29. April 1945

von Susanne Schröder  25.04.2025

Geschichte

Bundesarchiv-Chef warnt vor dem Zerfall historischer Akten

Hollmann forderte die künftige Bundesregierung auf, einen Erweiterungsbau zu finanzieren

 25.04.2025

Israel

Regierung kondoliert nach Tod des Papstes nun doch

Jerusalem löschte Berichten zufolge eine Beileidsbekundung nach dem Tod des Papstes. Nun gibt es eine neue

 25.04.2025

Berlin/Grünheide

Senatorin verteidigt ihre »Nazi«-Äußerung zu Tesla

Berlins Arbeitssenatorin spricht im Zusammenhang mit der Marke von »Nazi-Autos«. Daraufhin gibt es deutliche Kritik. Die SPD-Politikerin reagiert

 25.04.2025