Die Beschneidung von Jungen ist strafbar. So heißt es in einem Urteil des Landgericht Köln, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Verhandelt wurde der Fall eines 4-jährigen muslimischen Jungen, dessen Eltern bei einem Arzt, der ebenfalls Muslim ist, eine Beschneidung durchführen ließen. Der führte die Beschneidung einwandfrei aus. Wegen Nachblutungen, die keineswegs ungewöhnlich sind, kam das Kind wenige Tage später in das Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft bekam einen Hinweis und leitete ein Verfahren ein.
Im Urteil heißt es, Beschneidung sei eine »schwere und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit«. Dies wiege schwerer als das Recht der Religionsfreiheit und das Elternrecht.
ritual Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nennt das Urteil einen »unerhörten und unsensiblen Akt«. Er weist darauf hin, dass die Beschneidung von neugeborenen Jungen ein »fester Bestandteil der jüdischen Religion« ist. Seit Jahrtausenden wird es in der ganzen Welt praktiziert. »In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.« Daher nennt der Zentralrat das Urteil einen »beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften«.
Nach jüdischer Tradition wird ein Junge üblicherweise am achten Tag seines Lebens beschnitten. Die Britmila, die unter Umständen auch später erfolgen kann, erinnert an den Heiligen Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat und sie sorgt dafür, dass der Junge in diesen Bund aufgenommen wird. Den Akt nimmt ein Arzt oder ein Mohel vor, der sowohl medizinisch als auch religiös dafür qualifiziert ist. Auch im Islam werden Jungen beschnitten.
Diese religiösen und historischen Aspekte haben die Kölner weitgehend unberücksichtigt gelassen. Auch der hygienische Nutzen, der dazu führt, dass in den USA etwa über die Hälfte aller neugeborenen Jungen beschnitten wird, fand keine Berücksichtigung.
verbotsirrtum Bei dem Fall in Köln wurde der Arzt freigesprochen, weil er »subjektiv guten Gewissens« gehandelt habe – ein sogenannter »Verbotsirrtum«. Der liege aber künftig nicht mehr vor, schreibt der Passauer Strafrechtler Holm Putzke in einem Kommentar. Ab jetzt mache sich ein Arzt oder Mohel strafbar.
Putzke fordert schon seit Jahren ein Verbot des, wie er formuliert, »archaischen Rituals«. Am Kölner Urteil lobt er, das Gericht habe sich »nicht von der Sorge abschrecken lassen, als antisemitisch und religionsfeindlich kritisiert zu werden«. Putzke spricht auch von »reflexhafter Empörung«, die bald abklinge.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert den Bundestag nun dringend auf, die Religionsfreiheit vor solchen Angriffen zu schützen.