Hersbruck ist eine Kleinstadt im Landkreis Nürnberg. Hier unterhielt das Dritte Reich ab Mai 1944 ein Außenlager des KZ Flossenbürg, wo 9500 Häftlinge, in der Mehrzahl ungarische Juden, unter unerträglichen Arbeitsbedingungen eine unterirdische Rüstungsfabrik bauen mussten. 4000 der Zwangsarbeiter kamen in der Folge zu Tode.
An dieses Verbrechen erinnern heute eine Gedenktafel und ein kleines Mahnmal. Aber sonst war die Geschichte dieses Lagers, wie so vieler, weithin vergessen. Bis vor einigen Wochen auf YouTube ein Film auftauchte, betitelt »Heilungsritual«. Zu sehen ist dort eine Gruppe von sieben Menschen, die nahe dem ehemaligen Lager zu sphärenhaften Klängen esoterische Symbole und Hakenkreuze aus buntem Sand auf dem Boden formen. Der Initiator der Aktion, ein »Schamane« namens Danny Gross, erklärte der lokalen Zeitung, er wolle mit dem Ritual »an geschichtsträchtigen Orten Heilung und Wandel vollbringen«.
So weit, so spinnert. Und geschmacklos. Die örtlichen Behörden distanzieren sich, die Stiftung Bayerische Gedenkstätten ist befremdet. Zu Recht. Die massenhafte Ermordung von Menschen wird hier zum Zweck narzisstischer Selbstbefriedigung missbraucht, die Toten werden verhöhnt.
selfies Nicht zum ersten Mal. Die bunten Hakenkreuze von Hersbruck erinnern an so manche Entwürfe für das Berliner Holocaust-Mahnmal. Die reichten damals von einem Tag und Nacht befeuerten 18 Meter großen Verbrennungsofen über ein 40 Meter hohes »Gefäß für das Blut der sechs Millionen ermordeten Juden« bis zu einem Riesenrad, an dem statt Gondeln Viehwaggons hängen sollten. Entschieden hat man sich dann bekanntlich für Peter Eisenmans gigantisches Stelenfeld, inzwischen ein millionenfach auf fröhlichen Selfies verewigtes Muss für jeden Berlin-Touristen – ganz im Sinne Gerhard Schröders, der sich als Kanzler ein Mahnmal wünschte, »zu dem man gerne hingeht«.
Was New York die Freiheitsstatue und Paris der Eiffelturm ist der deutschen Hauptstadt inzwischen der 19.000 Quadratmeter große Betonwald, um den »in anderen Ländern manche die Deutschen beneiden«, wie einer der Initiatoren, Eberhard Jäckel, zum fünfjährigen Bestehen des Mahnmals 2011 stolz erklärte.
Von Hersbruck nach Berlin ist es manchmal nicht weit. Unsere Toten haben Besseres verdient.
Der Autor ist Publizist in Berlin.