Den Plural des Regierungssprechers ist er noch nicht ganz losgeworden. »Wir sind erleichtert, einen Waffenstillstand zu haben, und dass dieser hält. Das ist so wichtig für die Menschen in Israel und Gaza«, twitterte Steffen Seibert zu Beginn der Woche. »Danke für die Vermittlung«, richtete er den nächsten Satz an Ägypten – ohne das Land zu nennen. Stattdessen postete er dessen Flagge.
Das ist die Kunst der sozialen Nachricht in Vollendung. In wenigen Sätzen alles zu sagen und alle Akteure vermeintlich zu versöhnen. Keine Silbe zu viel, keine zu wenig. Wenn jemand den punktgenauen Minimalismus in den Plattform-Medien erfunden hat, dann Steffen Seibert. Mit der Einführung und besonderen Pflege des Twitter-Accounts hat er schon in den elf Jahren als Regierungssprecher unter Angela Merkel Maßstäbe gesetzt.
tweet Seit Dienstag ist er nun der deutsche Botschafter in Israel und bespielt fleißig und dreisprachig den Kanal »Steffen Seibert@GerAmbTLV«. Inzwischen hat er dort schon mehr als 16.900 Follower. Da bedankt er sich bei Präsident Isaac Herzog für die »unvergessliche« Inaugurationszeremonie, bei der er das Beglaubigungsschreiben zum Botschafter übergab, und in gleichem Umfang bei Guy Shalev und Lee Caspi für ihre Arbeit bei den Physicians for Human Rights Israel.
Er postet das Statement des Außenministeriums in Berlin zu den »jüngsten Entwicklungen in Gaza und Israel« und retweetet den designierten israelischen Amtskollegen in Berlin, Ron Prosor – unter Verwendung eines Fotos, das einen Kampfjet mit Davidstern und Schwarz-Rot-Gold auf den Flügeln zeigt. Besser kann man es nicht machen.
Von Ron Prosor habe er sich in einem Tel Aviver Café Tipps geholt. »Ich hoffe, wir können gemeinsam viel für diese einzigartige israelisch-deutsche Freundschaft tun. Lehitraot bekarov«, twittert Seibert, der seinem israelischen Amtskollegen schon etwas voraus ist, denn Prosors offizielle Amtseinführung steht noch aus.
plauderton Beinahe im Plauderton erzählt Seibert von seinem Treffen mit US-Botschafter Tom Nides. Dem französischen Kollegen Éric Danon begegnete er beim Jerusalem Film Festival – alles noch vor Amtsantritt. Mehrfach teilte er seine Begeisterung über die Spiele der deutschen Fußballerinnen bei der EM in England. Neudeutsch die »Message«: Sein Leben, Denken und Handeln sind selbstverständlich im Netz und öffentlich, wie bei einem Influencer.
Mit ihm kehrt ein neuer Stil der Transparenz und der Geist der Social Media in den neuen Botschaftsräumen an der Tel Aviver Hashlosha-Straße ein.
Unmittelbar nach der Zeremonie erscheint auf der Website der Botschaft unter der Strandskyline Seiberts Bild und Text: »Israel ist ein faszinierendes Land. Mich bewegt, wie sich hier Vergangenheit und Zukunft begegnen, Juden und Araber, Tora und Technologie – aber auch Konflikte und Friedenshoffnung. Hier im Bewusstsein unserer Geschichte für eine immer tiefere deutsch-israelische Freundschaft zu arbeiten, ist mir eine Freude und Ehre.«
Quereinsteiger Seibert kennt die Macht der Bilder und des Wortes, und es ist von ihm zu erwarten, dass er auch in dieser so herausgehobenen wie schwierigen Position meist den richtigen Ton trifft. Er war von 2010 bis 2021 der am längsten amtierende Regierungssprecher in der Geschichte der Bundesrepublik. »Das war heute Ihr 1165. Besuch hier in der Bundespressekonferenz«, sagte Mathis Feldhoff vom ZDF seinem Herold zum Abschied, »unsere beiden Rollen, die des Regierungssprechers und die des Journalisten, sind nicht immer konfliktfrei.«
Steffen Seibert strahlt auch Verbindlichkeit aus. Man möchte diesem Menschen gern glauben.
Konflikte ist Seibert dergestalt gewohnt, doch als Diplomat ist der 62-Jährige zweifelsohne Quereinsteiger. Eine bessere Wahl hätten die Ampelkoalitionäre kaum treffen können. Schon einmal hatte ein anderer Quereinsteiger diesen Posten inne, Jesco von Puttkamer, vormals Chefredakteur der SPD-Zeitung »Vorwärts«, entsandt von Willy Brandt. Seibert blickt ebenso auf einen langen Weg als Journalist zurück.
Er volontierte beim ZDF, war Korrespondent in Washington, moderierte das Morgenmagazin, das abendmagazin, hallo deutschland, ZDF.reporter und schließlich sieben Jahre die Hauptnachrichtensendung heute. Das machte ihn noch nicht prominent, aber bekannt. Sein jugendliches Äußeres, das offene Hemd statt Krawatte, haben seiner Karriere sicher nicht geschadet – suggestive Macht der Bilder eben. Steffen Seibert strahlt aber neben aller Jovialität auch Verbindlichkeit aus. Man möchte diesem Menschen gern glauben.
Sprachkurs Bereits vor Monaten war seine Nominierung publik geworden, bestätigt hat er sie erst mit einer Grußbotschaft via Twitter an die israelische Bevölkerung. »Schalom, ich bin Steffen Seibert«, beginnt er – und trifft sofort ins Schwarze. Israel und Deutschland hätten eine Beziehung, die mit keiner anderen vergleichbar sei. »Heute sind wir Partner und Freunde.«
Das Wichtigste nach den »monströsen Verbrechen der Schoa« sei es, an der Seite Israels zu stehen und sich dessen Sicherheit zu verpflichten. Diese Monate verbrachte Seibert zu Teilen bereits in Israel und besuchte einen Grundkurs Hebräisch. Er spricht neben Englisch auch Französisch, Italienisch und Spanisch, sehr zur Freude der Journalisten, die er mit Angela Merkel in aller Welt traf. Neuland ist Israel für ihn ebenso wenig, denn Merkel hegte eine besondere Beziehung zum jüdischen Staat und ist bis heute dafür im Land geachtet.
In Tel Aviv und Jerusalem wird Seibert auf einen Premier treffen, der auch Fernsehmoderator war. Nur eines kannte er bisher nicht: »Neu für mich, leider allzu vertraut für Israelis: leichter Schlaf, Dankbarkeit für den Schutz des Iron Dome«, postet er in der Stunde der Raketenangriffe. Und vergisst einmal mehr nicht die Worte der Verbundenheit und Solidarität: »Meine Gedanken sind besonders bei den Menschen im Süden, die der terroristischen Bedrohung am Nächsten sind. Und mit den vielen in Gaza, die ein friedliches Leben anstreben. #staysafe.«