A6075 war die Nummer, die Vera Bein bei ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau auf den Arm tätowiert wurde. Im Dezember 1944 brachte A6075 dort ein kleines Mädchen zur Welt. Es wog weniger als ein Kilo und war so schwach, dass es nicht einmal schreien konnte. Zum Glück konnte es das nicht, denn andernfalls hätten weder meine Mutter noch ich überlebt. Mein Vater hatte kein Glück. Er überlebte nicht – wie die meisten Juden in den NS-Todeslagern.
Der Holocaust ist gut erforscht. Die Nazis selbst führten Buch, Prozesse wurden abgehalten, Dokumentationen veröffentlicht, Überlebende legten Zeugnis ab. Doch Irans Präsident Ebrahim Raisi hat immer noch Zweifel. Das sagt er zumindest. Man brauche noch mehr Forschung.
Raisi gab ein TV-Interview, wenige Tage, bevor er nach New York aufbrach, um vor der UN-Generalversammlung zu sprechen.
Ich frage mich: Warum empfängt man ihn dort? Wie können Vertreter der Demokratien der Welt, aus Ländern, deren Soldaten so tapfer gegen Nazideutschland gekämpft haben, mit diesem Mann in einem Saal sitzen? Mit einem Mann, der nicht nur die Schoa anzweifelt, sondern auch Hass gegen Israel und seine Freunde verbreitet. Einem Mann, an dessen Händen Blut klebt.
In meiner polnischen Geburtsurkunde und meinem kanadischen Pass ist als Geburtsort »Auschwitz« eingetragen. Ja, Herr Raisi, die Schoa war sehr real, es gab sie wirklich. Ich weiß das und Sie auch.
Manchmal lese ich, dass die Vereinten Nationen auf der Asche des Holocaust errichtet wurden. Heute scheint diese Tatsache in Vergessenheit geraten zu sein. Ich wurde in die Asche des Holocaust hineingeboren, im wahrsten Sinne des Wortes.
Damals, im Dezember 1944, konnte ich nicht schreien. Heute kann ich es. Und ich rufe laut und deutlich: Schämt euch, Vereinte Nationen, dass ihr einen Mann wie Ebrahim Raisi empfangt und ihm eine Bühne bereitet! Damit schlagt ihr Millionen von Juden auf der ganzen Welt ins Gesicht.
Die Autorin wurde 1944 in Auschwitz geboren und lebt heute in Kanada.