Die Diskussion um ein bevorstehendes Schächtverbot in den Niederlanden geht in die nächste Runde. Während eine parlamentarische Mehrheit den Gesetzesantrag der Tierschutzpartei unterstützt, setzen jüdische und auch muslimische Organisationen ihre Hoffnung verstärkt auf einen »runden Tisch«.
Dabei will die zuständige Kammerkommission für Wirtschaftsangelegenheiten, Landwirtschaft und Innovation Experten zu koscherer und Halal- Schlachtung befragen. Die »Tweede Kamer« stimmte bei einer Debatte vergangene Woche einem entsprechenden Antrag der Christdemokraten zu. Wegen einer angemessenen Vorbereitung soll diese Anhörung frühestens Ende Mai stattfinden. Bevor dann vor der Sommerpause über das Gesetz abgestimmt werden soll, ist eine weitere Fragerunde im Parlament vorgesehen.
Debatte Vom Tisch ist damit eine Entscheidung noch im April, nach der es zunächst aussah. »Damit gewinnen wir in jedem Fall Zeit«, begrüßt Ronnie Eisenmann, Direktor der orthodoxen Nederlands Israëlitisch Kerkgenootschap (NIK), die Entwicklung. »Es ist gut, dass wir Gelegenheit bekommen, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen.« Die NIK will nun Personen vorschlagen, die »auf wissenschaftlichem, juristischem und jüdischem Gebiet« geeignet sind, der Kommission Auskunft zu geben. Diese könnten auch per Videokonferenz zugeschaltet werden. Die Nominierung, betont Eisenmann, liegt jedoch bei den Parteien. Über die Vorschläge ist bislang noch nichts bekannt.
Vergangene Woche hatten sich jüdische und muslimische Organisationen in einem gemeinsamen Brief an die Fraktionschefs besorgt über die Zukunft der Religionsfreiheit in den Niederlanden geäußert. Sie kündigten an, notfalls bis vor den Europäischen Menschenrechtshof zu ziehen, um das »populistische Gesetz« zu stoppen.
Geert Wilders Bislang sind Juden und Muslime vom Verbot unbetäubten Schlachtens ausgenommen. Das Vorhaben wird seit Längerem von kleinen linken Oppositionsparteien sowie der anti-islamischen Freiheitspartei Geert Wilders’ unterstützt. Mehrheitsfähig wurde das Vorhaben erst mit der Ankündigung der Sozialdemokraten, Anfang des Monats ebenfalls für ein Verbot zu stimmen.
Protest dagegen kommt unter anderem von jüdischen Jugendorganisationen. In einem Schreiben an die Parlamentsvorsitzende berufen sie sich auf die niederländische Tradition von Toleranz und Religionsfreiheit. Deren Einschränkung bedeute für junge Juden nicht nur, kein koscheres Fleisch mehr essen zu können, sondern ließe sie an ihrer Zukunft im Land zweifeln. »Nehmen Sie uns nicht die Möglichkeit, das Judentum so erleben zu können, wie wir wollen. Eben das macht die Niederlande zu unserem Zuhause.«
Weniger dramatische Worte wählt Luuk Koole, obwohl das Verbot gerade ihn existenziell gefährdet: als Chef der Slagerij Marcus in Amsterdam leitet er den einzigen koscheren Schlachtbetrieb der Niederlande. »Gute Nachrichten« ist sein knapper Kommentar, bezogen auf die geplante Anhörung der Experten. »Dann kommt zumindest nicht immer die gleiche Seite zu Wort, sondern auch mal die geschädigten Parteien.« Die Hoffnung habe er noch lange nicht aufgegeben.