Der NS-Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen soll am Donnerstag in Brandenburg an der Havel fortgesetzt werden.
Vertreter der Nebenklage und Brandenburgs Gedenkstättendirektor Axel Drecoll appellierten am Mittwoch an den 101-jährigen Angeklagten Josef S., sich zu seinem Dienst im KZ zu bekennen. Bisher hat der aus Litauen stammende Baltendeutsche, der nach dem Krieg in der DDR lebte, angegeben, nicht in Sachsenhausen im Einsatz gewesen zu sein.
VERANTWORTUNG »Ich erwarte, dass der Angeklagte sich endlich seiner ganz persönlichen und individuellen Verantwortung stellt«, sagte Nebenklagevertreter Hans-Jürgen Förster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das bedeute, dass er »das - nach meiner aktuellen Würdigung der bisherigen Beweisaufnahme gänzlich aussichtslose - Lügen aufgibt, wonach er in Person gar nicht im KZ Sachsenhausen anwesend gewesen sei«, betonte der frühere Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof.
Nur im Fall eines Geständnisses seiner Anwesenheit eröffne sich dem Angeklagten »überhaupt die Möglichkeit, sich über ein eigenes ›Glauben‹ an die Rechtmäßigkeit der Befehlslage im KZ zu äußern«, sagte Förster: »Mit einer gegebenenfalls grundsätzlichen rechtlichen Möglichkeit strafmildernder Berücksichtigung.«
Der promovierte Jurist vertritt in dem Verfahren einen 1927 in der Nähe von Krakau geborenen Mann, der 1943 zunächst nach Auschwitz, dann nach Sachsenhausen deportiert wurde und dort medizinischen Experimenten ausgesetzt war. Er überlebte die NS-Verbrechen und lebt heute laut seinem Anwalt in Israel.
VORWURF Dem Angeklagten Josef S. wird in dem Verfahren am Landgericht Neuruppin Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen vorgeworfen.
Auch der frühere Chefermittler der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, Thomas Walther, forderte ihn zu einem Geständnis auf. Es sei »absurd, diese Märchen aufrechtzuerhalten, die völlig unschlüssig sind«, sagte Walther dem epd mit Blick auf dessen bisherige Aussagen.
Beweise für seine Dienstzeit im KZ Sachsenhausen seien umfassend dokumentiert, betonte Walther, der in dem Verfahren mehr als zehn Nebenkläger aus verschiedenen Ländern vertritt. Der Angeklagte habe jedoch bisher an einer Lebenslüge festgehalten, die er wohl über Jahrzehnte aufrechterhalten habe. Er mache sich daher »keine große Hoffnung, dass da noch etwas passiert«, sagte der Anwalt.
Gedenkstättendirektor Drecoll sagte, es wäre wichtig, »dass der Angeklagte seine Tätigkeit als SS-Wachmann einräumt und sich an die Opfer und ihre Hinterbliebenen wendet, wenn er denn tatsächlich in Sachsenhausen Dienst getan hat«. »Der Angeklagte bestreitet das, aber soweit ich die Sachlage kenne, kann es daran keinen Zweifel geben«, sagte er.