Jahrzehntelang war Walter Herrmann mit seiner »Klagemauer« ein Ärgernis auf der Kölner Domplatte, denn auf stets aktualisierten Papptafeln präsentierte er eindeutig antisemitische Bilder und Texte. Ende Juni ist Walter Herrmann 77-jährig gestorben, doch der Streit geht weiter.
Der katholische Geistliche Franz Meurer, der als Armenpfarrer wirkt, schlug vor, Herrmanns Sammlung von zuletzt etwa 70.000 Tafeln dem Stadtmuseum als Schenkung zukommen zu lassen. Schon bei Herrmanns Beisetzung in Meurers Köln-Vingster Kirche wurden Teile der »Klagemauer« ausgestellt.
protestkultur Der Direktor des Stadtmuseums, Mario Kramp, wollte den Vorschlag nicht ausschlagen: Auch wenn deren Inhalt äußerst problematisch sei, seien die Tafeln doch »Teil der Kölner Stadtgeschichte«. Das Historische Archiv der Stadt Köln teilte derweil seine Bereitschaft mit, »nach dem Zufallsprinzip drei Kartons zu übernehmen«. Die »Klagemauer« sei nämlich »politisch äußerst fragwürdig, aber ein langjähriger Teil der Kölner Protestkultur«.
Gegen die Annahme der Schenkung gibt es heftige Proteste: Die Kölner Synagogen-Gemeinde etwa ist entsetzt und fordert die Stadt auf, »die Annahme zu verweigern«. Herrmann habe »dem Ansehen der Stadt Köln nur zum Nachteil gereicht«, sagt Vorstandsmitglied Abraham Lehrer, der zudem Vizepräsident des Zentralrats der Juden ist.
Auch der Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Jürgen Wilhelm, hält eine Annahme der Schenkung für eine »dramatische Fehlbeurteilung«.
»Das Zeug gehört in die Tonne« formulieren gleichlautend CDU und der Grüne Ralf Unna, und »auf den Müll« wünscht es die SPD. Der jüdische Schriftsteller Peter Finkelgruen fragt, ob sich Pfarrer Meurer von jenen Jesuiten unterscheide, »die es 1942 in Shanghai ablehnten, mich als Kleinkind vor den Nazis zu schützen«.
Vergleichbar heftig reagiert der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne): Höchstens unter der »Rubrik Schandfleck« könne er sich ein Exponat im Museum vorstellen. Auch Ulrich Soénius, Vorsitzender des Kölner Kuratoriums der Stiftung Stadtgedächtnis, protestiert scharf.
parteien Und Abraham Lehrer hofft, dass »die Vertreter der demokratischen Parteien aus dem Kölner Rat ihren Aussagen von früher und heute auch das nötige Abstimmungsverhalten folgen lassen«.
Nun rudert Meurer zurück: »Wenn Herrmann zu Lebzeiten mit seinen Anti-Israel-Parolen vor meiner Kirche gestanden hätte, hätte ich ihn dort weggejagt.« Nun schlägt er aber einen Runden Tisch vor.
Das lehnen Soénius, Beck, Lehrer, Finkelgruen und Wilhelm ab: Das Thema »Klagemauer« sei durch. Jürgen Wilhelm sagt, wenn überhaupt ein Museum in Betracht komme, dann das städtische NS-Museum EL-DE-Haus: Dort wären die Tafeln »in bester Gesellschaft«.