Bedauern über den Tod Muammar al-Gaddafis, eines der monströsesten Despoten der jüngeren Geschichte, wäre völlig unangebracht. Dass der Massenmörder jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit – unter unablässigen »Allahu Akbar«-Rufen – von Rebellen gelyncht, seine Leiche öffentlich ausgestellt und dann ohne genaue Untersuchung der Umstände verscharrt wurde, lässt für Libyens Zukunft wie den weiteren Verlauf der arabischen Umstürze insgesamt wenig Gutes erahnen. Statt der erhofften Herrschaft des Rechts droht sich im Nahen Osten einstweilen wieder jene Logik willkürlicher Gewalt durchzusetzen, die dort seit jeher humanen Fortschritt erstickte. Das Schicksal Gaddafis vor Augen, wird Syriens Diktator Assad seine mörderische Repressionspolitik erst recht bis zur letzten Konsequenz treiben. Immer wahrscheinlicher wird damit auch, dass die syrische Opposition vom friedlichen zum bewaffneten Widerstand übergeht.
Unkalkulierbar Da Assad im UN-Sicherheitsrat von China und Russland gedeckt wird, steht der Westen dieser Entwicklung weitgehend ohnmächtig gegenüber. Unaufhaltsam scheint derzeit zudem der Aufstieg islamistischer Kräfte im Windschatten des »Arabischen Frühlings«. Dem aggressiven Vordringen des organisierten politischen Islam an die Schalthebel postdiktatorischer Gesellschaften haben säkular-demokratische Kräfte wenig entgegenzusetzen. Israel konfrontiert dies mit wachsenden, unkalkulierbaren Bedrohungen. Durch den Deal zum Austausch Gilad Schalits ist die Hamas im innerpalästinensischen Machtkampf mit der Fatah weiter erstarkt. Den Abzug der USA aus dem Irak Ende des Jahres wird der Iran, der ungerührt sein Atomwaffenprogramm fortsetzt, zur massiven Ausweitung seines Einflusses an Euphrat und Tigris wie in der ganzen arabischen Welt nutzen. So könnte der Traum von der Demokratisierung und Pazifizierung der Region schnell in den Albtraum eines großen Nahostkriegs umschlagen.