Washington D.C./Tel Aviv

Rede im US-Kongress: Netanjahu will Unterstützung beider Lager

Das Kapitol in Washington D.C, beherbergt die beiden Kammern des Kongresses. Foto: picture alliance / NurPhoto

Begleitet von Protesten will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu heute (Ortszeit) in Washington eine mit Spannung erwartete Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses halten. Dabei soll es unter anderem um den seit mehr als neun Monaten tobenden Krieg in Gaza und Israel gehen.

Angehörige israelischer Geiseln, die Netanjahu auf seiner US-Reise begleiten, erhoffen sich eine Ankündigung des Regierungschefs über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln im Gegenzug für eine Entlassung palästinensische Häftlinge.

Die Polizei nahm am Tag vor Netanjahus Rede mehrere Demonstranten fest, die in einem Gebäude des US-Parlaments gegen Israels Vorgehen gegen den palästinensischen Terror protestiert hatten. Sie hätten das zum Gebäudekomplex des Kapitols gehörige Cannon House Office Building zwar legal betreten, teilte die Kapitolpolizei am Dienstag (Ortszeit) mit. Protest sei dort aber nicht erlaubt.

Erste Auslandsreise

Weil die Demonstranten der Aufforderung, den Protest zu beenden, nicht nachkamen, sei das Gebäude geräumt worden. Dort war es in den vergangenen Monaten bereits zu ähnlichen Protestaktionen gekommen.

Es ist Netanjahus erster Besuch in Washington seit fast vier Jahren und seine erste Auslandsreise seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober, das zum aktuellen Krieg in Gaza führte. Netanjahu wolle seine Rede vor dem US-Kongress nutzen, um sowohl sein angeschlagenes Image als »Beschützer Israels« als auch des israelischen Politikers mit dem größten Einfluss in den USA zu rehabilitieren, schrieb der gut vernetzte israelische Journalist Barak Ravid auf dem US-Nachrichtenportal »Axios«.

Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump haben Treffen mit Netanjahu angekündigt. Am Donnerstag sieht er Biden, Trump am Freitag. Wegen Bidens Corona-Infektion war lange unklar, ob sein Treffen mit Netanjahu stattfindet.

Angespannte Stimmung

Die Stimmung zwischen Biden und Netanjahu war zuletzt wegen des Gaza-Kriegs angespannt. Am Donnerstag ist laut Medienberichten auch ein Treffen mit der Vize-Präsidentin und demokratischen Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris geplant. Harris werde allerdings Netanjahus Rede im Kongress heute nicht beiwohnen, da sie eine Reise nach Indianapolis geplant habe, berichteten die »New York Times«.

Dutzende von demokratischen Abgeordneten hätten angekündigt, dass sie Netanjahus Rede boykottieren werden, vor allem wegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, schrieb Ravid kürzlich bei »Axios«. Viele Demokraten seien zudem immer noch verärgert über Netanjahus vorherige Rede vor dem Kongress im Jahr 2015, die die Republikaner am Weißen Haus vorbei inszeniert hätten.

Netanjahu habe die Rede damals genutzt, um das Atomabkommen mit dem Iran anzugreifen, das eine der wichtigsten außenpolitischen Initiativen des damaligen demokratischen US-Präsidenten Barack Obama war. Das Ergebnis sei ein Zerwürfnis mit dem Weißen Haus und den Demokraten gewesen, »das nie ganz verheilt ist«, schrieb Ravid.

Weniger umstritten

Es werde erwartet, dass Netanjahus neue Rede diesmal weniger umstritten sein werde, schrieb die »New York Times«. Vor der Abreise hatte Netanjahu die Stärke des Bündnisses beider Staaten betont.

Er werde sich um die Unterstützung beider politischer Lager in den USA bemühen, sagte der israelische Regierungschef. »In dieser Zeit von Krieg und Ungewissheit ist es wichtig, dass Israels Feinde wissen, dass Amerika und Israel zusammenstehen - heute, morgen und immer«, sagte Netanjahu. Netanjahu wird von Kritikern vorgeworfen, den Krieg zu seinem eigenen politischen Vorteil in die Länge zu ziehen.

Er regiert in einer Koalition mit ultra-religiösen und rechtsextremen Parteien, die Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und mit der Sprengung der Regierung drohen. Während mitreisende Angehörige der in Gaza festgehaltenen Geiseln hoffen, dass Netanjahu in der Rede eine Waffenruhe zu ihrer Freilassung ankündigt, sind andere skeptisch.

Vorsichtig optimistisch

Trotz der in Gaza erreichten Ziele setze Netanjahu den Krieg fort, schrieb der Bruder einer Geisel in der »Times of Israel« und warf ihm vor, seine Schwester und Familie im Stich zu lassen. Er habe Netanjahus Einladung zur Mitreise zunächst angenommen, später jedoch abgelehnt, schrieb der Mann.

»Als die Reise näher rückte, wurde ich immer wieder Zeuge, wie mein Ministerpräsident der Sicherheit seiner Regierung Vorrang vor der Sicherheit der Geiseln einräumte«. Netanjahu habe bei den indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas vermitteln, immer wieder neue Bedingungen für ein Abkommen vorgebracht. Er fordere, dass Netanjahu in der Rede einen Geiseldeal ankündigt.

Bei einem Treffen mit mitreisenden Angehörigen der Geiseln hatte sich Netanjahu vorsichtig optimistisch geäußert. Im Gazastreifen werden noch rund 120 Geiseln vermutet, viele von ihnen dürften aber nicht mehr am Leben sein. Bei den Gesprächen über ein Abkommen hatten die Aggressoren der Hamas angeblich zuletzt mehr Flexibilität gezeigt. Dies ging aus Zeitungsberichten hervor.

Wiederholte Forderungen

Netanjahu habe jedoch neue Forderungen erhoben - etwa die nach einem längeren Verbleib israelischer Truppen an strategischen Stellen in Gaza, hieß es in diversen Medien. Deswegen kämen die Gespräche zuletzt nicht vom Fleck. Tatsächlich wiederholte und konkretisierte Netanjahu bereits gestellte Forderungen.

Ein israelischer Beamter sagte »Axios«, Netanjahu wolle sein Treffen mit Biden nutzen, um Unterstützung für seine Forderungen zu gewinnen. Er wolle mit Biden besprechen, wie man »in den kritischen nächsten Monaten« die gemeinsamen Ziele vorantreiben könne, sagte Netanjahu vor der Abreise.

Dazu gehöre die Freilassung aller Geiseln und ein Sieg über die Hamas. Am Tag des Treffens mit Biden soll eine israelische Delegation die Gespräche in Katar wieder aufnehmen. Hoffnungen auf einen Deal hatten sich immer wieder zerschlagen. (Mit ja)

Washington D.C.

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