Der Gründer und Chef einer rechtsgerichteten Partei in den Niederlanden hat am Montag wegen eines Antisemitismusskandals Konsequenzen gezogen. Thierry Baudet, Vorsitzender des Forums für Demokratie (FvD), verkündete per Videobotschaft seinen Rückzug als Listenführer der Partei für die nächste Parlamentswahl.
Grund waren Berichte über antisemitische und homophobe Botschaften, die in Chatgruppen der Jugendbewegung seiner Partei (JFvD) verbreitet worden werden. Prominente FvD-Mitglieder hatten den Abgang des JFvD-Vorsitzenden Freek Jansen, eines Vertrauten Baudets, gefordert.
KONSEQUENZEN In einer WhatsApp-Gruppe waren Nazi-Lieder geteilt worden. Ein JFvD-Aktivist hatte das NS-Buch »Der Untermensch« als ein »Meisterwerk« bezeichnet, wie die Zeitung »Het Parool« am Samstag berichtete. Jansen selbst gilt als Kontaktmann zu rechtsradikalen Gruppen und soll sich selbst schon positiv über den Nationalsozialismus geäußert haben.
Baudet nannte die Berichte über die Umtriebe im JFvD »schrecklich«. Er fügte aber hinzu, dass man »den Medien nicht trauen« könne und suggerierte, dass ihm und seiner Partei noch vor einer Untersuchung der Vorfälle »der Prozess gemacht« worden sei. Er wolle aber die Verantwortung für das Geschehene übernehmen, so der 37-Jährige.
In den letzten Tagen waren die Forderungen aus der eigenen Partei, der Vorsitzende möge in der Affäre harte Konsequenzen, immer stärker geworden. Der JFvD-Vorstand trat am Sonntag geschlossen zurück – allerdings nur, um den Anschein zu vermeiden, es gebe Interessenskonflikte bei der Aufklärung der Vorwürfe.
Die FvD-Senatorin Annabel Nanninga erklärte, die Vorgehensweise innerhalb der Jugendabteilung ihrer Partei sei »inakzeptabel« und gekennzeichnet von »zu wenig, zu spät«. Sie erwarte »eine vollständige Reinigung« beim JFvD«.
Wiederholt traf sich Baudet mit Vertretern rechtsradikaler Gruppen aus anderen Ländern.
Thierry Baudet ist ein schillernder Politiker. 2018 machte er Schlagzeilen, als er auf Instagram ein Nacktfoto von sich veröffentlichte. In seinem per Videobotschaft verbreiteten Statement betonte er, weiterhin FvD-Vorsitzender und Parlamentsabgeordneter bleiben zu wollen. Auch bei den nächsten Wahlen werde er möglicherweise wieder antreten, wenn auch auf einem der unteren Listenplätze, deutete er an.
WAHLERFOLGE Das FvD wurde 2015 von Baudet als Denkfabrik gegründet und 2017 in eine Partei umgewandelt. Sie setzt sich für den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union und gibt sich dezidiert pro-israelisch. Baudet polarisiert ebenso wie sein Hauptkonkurrent im rechten Lager, der Rechtspopulist Geert Wilders, gibt sich aber in einigen Punkten wie zum Beispiel des Verbots von Moscheegemeinden gemäßigter.
Wiederholt traf sich Baudet aber mit Vertretern rechtsradikaler Gruppen aus anderen Ländern und zeigte sich mit den Attacken des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán auf den jüdischen Mäzen George Soros einverstanden.
Über Vorzugsstimmen könnte Baudet trotz eines schlechten Listenplatzes wieder in das Unterhaus gelangen.
Unter Baudets Vorsitz gewann das Forum für Demokratie 2017 zwei Sitze in der niederländischen Abgeordnetenkammer. Im Oberhaus, dem Senat, gelang es der Partei sogar, zwölf Sitze zu erobern. Die FvD stellt auch drei der 26 niederländischen Europaabgeordneten.
Nach internen Querelen steht das Forum aktuell in den Umfragen aber wieder etwas schlechter da, käme aber dennoch auf sechs Mandate im Parlament. Die Niederlande wählen turnusgemäß am 17. März 2021 erneut ihre Volksvertreter. Über Vorzugsstimmen könnte Baudet trotz eines schlechten Listenplatzes wieder in das Unterhaus gelangen. mth