Von einer Radikalisierung der Pegida kann keine Rede sein. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Dresdner Politologe Werner Patzelt kürzlich vorlegte. Immerhin räumte der zuletzt in verschiedenen Medien als »Pegida-Versteher« kritisierte Patzelt ein, dass die Bewegung der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« seit ihrer faktischen Spaltung Anfang des Jahres nach rechts gerückt ist. Patzelts Studie beruht auf Befragungen vom 27. April und 4. Mai sowie auf Beobachtungen.
»Pegida heute ist im Wesentlichen das, was Pegida schon im Januar gewesen ist«, erklärt der Professor von der TU Dresden. In der sozialen Zusammensetzung gebe es keine großen Veränderungen. »Pauschale Aussagen, es handele sich um Ausländerfeinde, Rassisten und Islamfeinde, treffen auch für den harten Kern von Pegida nicht zu, der jetzt noch übrig geblieben ist«, so Patzelt.
unwissenschaftlich Doch der Wissenschaftler Patzelt und seine Studie sind hoch umstritten. Der Grünen-Politiker Miro Jennerjahn, der bis 2014 im Sächsischen Landtag saß, wirft Patzelt, der den Lehrstuhl für politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden innehat, vor, die Studie sei nur ein wissenschaftlich völlig unbedeutender »länglicher Text«, von ihm verwendete Begriffe habe er nicht sauber definiert, und an vielen Stellen zeige sich, dass Patzelt relevante Diskurse der extremen Rechten gar nicht kenne.
»Mit der Methode Patzelt wäre es sogar möglich, den völkisch-rassistischen Charakter des Nationalsozialismus wegzudiskutieren«, so das Fazit von Jennerjahn, der in der Rechtsextremismuskommission des Bundesvorstands der Grünen sitzt. Auch eine Reihe von Mitarbeitern von Patzelts Institut für Politikwissenschaft hat sich bereits von ihrem Professor distanziert.
kernideologie Mit Antisemitismus, der sich bei Pegida-Demonstrationen zeigt, hat sich Patzelt in seiner Studie überhaupt nicht beschäftigt. Dabei ist dieser nach wie vor eine Kernideologie des Rechtsextremismus, wie der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke vergangene Woche erklärte. Funke sprach bei einem vom »Mediendienst Integration« veranstalteten Expertengespräch zum Thema Rechtspopulismus.
Sowohl Pegida als auch die gerade nach Rechts treibende Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) werden gemeinhin dem Rechtspopulismus zugeordnet. Mitte April hatte Pegida Geert Wilders, den Star des niederländischen Rechtspopulismus, nach Dresden eingeladen. Wilders bemüht sich schon lange darum, der europäischen Rechten ein juden- und israelfreundliches Image zu verleihen. Cas Mudde, ein niederländischer Politologe, der an der Georgia University lehrt, ordnete bei dem Expertengespräch in Berlin Wilders als »großen Zionisten« ein, dessen Verhältnis zu Israel keineswegs nur von Taktik geprägt sei. Auch in seiner Dresdner Rede lobte Wilders Israel – sein Pegida-Publikum wirkte eher verwirrt als begeistert.
Jew-Gida Ähnlich verwirrt bis empört waren die Reaktionen der Mehrzahl der Pegida-Demonstranten auf ein kleines Grüppchen names »JewGida«. Das war zunächst bei dem Berliner Pegida-Ableger unterwegs, später auch in Dresden. »Hauptinitiator ist ein nach eigenen Angaben amerikanischer Jude namens Samuel oder Sam, der immer Kippa und gern das ›JewGida‹-Schild trägt«, hat das Onlineportal »Netz gegen Nazis« recherchiert. Ob es eine jüdische »JewGida« wirklich gibt, ist nicht sicher zu ermitteln. Sicher ist aber, dass diese Gruppe bei großen Teilen der Pegida-Anhängerschaft auf Widerstand stößt. Auf einschlägigen Facebook-Seiten heißt es beispielsweise, hier von einem User namens »Manfred«, wenn Israel-Flaggen akzeptiert würden, »habe ich keine Sympathie mehr für Pegida«.
Dass die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« trotz ihres Namens nicht so sehr den Islamismus im Blick haben, hatte Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, schon im Dezember gegenüber der Jüdischen Allgemeinen betont: »Es geht den Demonstranten nicht um die Gefahr des islamistischen Terrors, der ja nicht zuletzt Juden bedroht.« Als die Gemeinde im Frühsommer 2014 zu einer Gegenkundgebung gegen eine salafistische Demonstration aufgerufen habe, seien gerade einmal 150 Leute gekommen. »So sehr treibt die Gefahr des Islamismus diese Menschen um«, erklärte Goldenbogen sarkastisch.
Einen Experten wie Werner Patzelt ficht das nicht an. Er glaubt, dass 30 Prozent der Pegida-Demonstranten »bedingt xenophil« und für den Islam offen sind – »aber unter der Bedingung, dass nicht zu viele Flüchtlinge ins Land kommen und der Islam friedlich bleibt«. Fein unterscheidet er auch zwischen Ausländerhass und Xenophobie, denn Letzteres sei »einfach Sorge vor dem Fremden, Abwehr des Fremden«.