Mehr als drei Jahre nach ihrer Gründung will die AfD Ende April auf ihrem Stuttgarter Bundesparteitag erstmals ein Parteiprogramm verabschieden. Inzwischen hat der Bundesvorstand einen offiziellen, in vielen Punkten typisch rechtspopulistisch geprägten Programmentwurf veröffentlicht, eine Vorfassung war durch das investigative Rechercheportal »Correctiv« geleakt worden.
Doch damit nicht genug. Martin E. Renner, Co-Vorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen, legte Anfang April zusammen mit zwei Mitstreitern einen noch weiter rechts stehenden Gegenentwurf vor, der kühn als »Politisches Manifest« überschrieben ist. In diversen Punkten noch hemmungsloser ist der »alternative« Programmentwurf des Bezirksvorstands Niederbayern, der von der völkisch-neurechten »Patriotischen Plattform« präferiert wird, einer Gruppierung, die auch Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im thüringischen Landtag, aktiv unterstützt.
Islam Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, warnte jüngst im Tagesspiegel: »Rechtsradikale Einflüsse nehmen innerhalb der AfD offenbar noch zu.« Wie richtig er damit liegt, zeigt sich daran, wie die Programmentwürfe es mit der Religion beziehungsweise mit der Religionsfreiheit im Sinne einer respektvollen Gleichbehandlung aller Religionen halten – oder dies gerade nicht tun. Dem Islam wird – mal mehr, mal weniger verklausuliert – mit offener Feindseligkeit begegnet. Beim Judentum ist man, auch wenn dieses bei den betreffenden Themen namentlich nicht erwähnt wird, bisweilen auch nicht zimperlich.
Überraschend ist dieser Befund nicht. Das Bestreben, einzelne Religionen zu einem Feindbild zu stilisieren, zählt zu den typischen Ingredienzen der trüben Suppen, die Parteien wie die AfD mit ihrem Mix aus Rechtspopulismus und neurechter Ideologie anrühren. Welches Kalkül dahintersteht, teilte die Berliner Co-Landesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, ihren Parteifreunden in ebenfalls geleakten E-Mails unverblümt mit: Der Islam sei »das brisanteste Thema des Programms überhaupt«, für die »Außenkommunikation« bestens geeignet. Und weiter: »Die Presse wird sich auf unsere Ablehnung des politischen Islams stürzen wie auf kein zweites Thema des Programms.«
Doch beschränkt sich das Programm keineswegs auf die Ablehnung des politischen Islams. Zwar wurden mit dem Verbot des »betäubungslosen Schächtens von Tieren« ohne jede Ausnahmeregelung für Religionsgemeinschaften und der Untersagung der »Beschneidung des männlichen Kindes ohne medizinische Indikation« nun zwei besonders drastische Forderungen aus der Vorfassung gestrichen, die auch die Religionsfreiheit von Juden massiv eingeschränkt hätten. Im »Alternativentwurf« des Bezirksverbands Niederbayern sind beide Postulate jedoch fast wortgleich wieder aufgenommen worden, und zwar im Kapitel »Zum Islam«. Dass Juden davon gleichermaßen betroffen sind, wird nicht erwähnt. Lieber hebt man darauf ab, die Beschneidung unter Berufung auf das Kindeswohl für »verfassungswidrig« zu erklären.
Erinnerungskultur Ohnehin ist es mit der Sensibilität gegenüber Juden bei der AfD häufig nicht allzu weit her. So behauptet der Programmentwurf des Bundesvorstands eine »aktuelle Verengung deutscher Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus«, die »zugunsten einer erweiternden Geschichtsbetrachtung aufzubrechen« sei.
Björn Höcke, der gerne verharmlosend von »den zwölf Jahren« spricht, Christentum und Judentum für einen »Antagonismus« hält und deshalb mit dem Begriff des christlich-jüdischen Abendlands »nichts anfangen« kann, dürfte das gefallen. Höcke kritisierte in einem später gelöschten Facebook-Eintrag die Auflösung des saarländischen Landesverbands, die wegen Kontakten in die rechtsextreme Szene erfolgen sollte. Bereits vor über einem Jahr lehnte er es zudem ab, alle Mitglieder der NPD als extremistisch zu bezeichnen. Und am vergangenen Samstag sprach er sich auf einem Landesparteitag für einen Schulterschluss mit Pegida, dem Front National und der FPÖ aus.
Vor allem Muslime können sich auf harte Zeiten einstellen, wenn die AfD ihr Gedankengut weiter erfolgreich verbreitet. So werden im offiziellen Programmentwurf die »ständig wachsende Zahl von Muslimen« als »Herausforderung für den Staat«, Minarette als »Herrschaftssymbole« und das Kopftuch als »religiös-politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann« bezeichnet. Im Alternativvorschlag aus Niederbayern will man den Bau von Moscheen verbieten. Auf der Facebook-Seite des Bezirksvorsitzenden Stephan Protschka riefen Sympathisanten im Kommentarbereich sogar dazu auf, Moscheen zu sprengen.
Verschwörungstheorie Wenn man zudem weiß, wie sehr unter AfD-Anhängern immer wieder Verschwörungstheorien diskutiert werden, in denen jüdischen Bankiers und Investoren wie Rothschild oder Soros entscheidender Einfluss auf die Politik des Westens zugesprochen wird, lässt dies für die weitere Entwicklung nichts Gutes ahnen.
Auch Christen sollten sich übrigens nicht allzu sicher wähnen, denn selbst die Kirchen können ins Visier der AfD geraten. So schämt sich die AfD Niederbayern nicht, diese als »Afterorganisationen« der Parteien verächtlich zu machen, die ihrerseits die Repräsentanten eines »gierigen Staates« seien.
Die Autorin ist Juristin und Publizistin. Mit Christoph Giesa veröffentlichte sie kürzlich das Buch »Deutschland dreht durch: Die Wahrheit über die AfD«.