Herr Heye, wie bewerten Sie das Urteil im NPD-Verbotsverfahren?
Das Ergebnis hat mich nicht überrascht. Ein anderes Urteil war nicht zu erwarten. Bundestag und Bundesregierung wollten sich ja nicht an dem Verbotsverfahren beteiligen, weil ein neuerliches Scheitern zu befürchten war. Es ist klar, dass das Fehlen des Bundes als Antragsteller die Einschätzung des Gerichts beeinflusst, wie stark unsere Demokratie von der NPD bedroht ist. Die Hürde, ein Parteiverbot auszusprechen, ist natürlich umso höher, wenn allein die Länder im Bundesrat befürchten, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die NPD gefährdet sei.
Wird die Gefahr von rechts unterschätzt?
Davon bin ich fest überzeugt. Aber das hat unmittelbar nicht nur etwas mit der NPD zu tun. Die Überzeugungen bleiben ja, auch wenn man die Partei verboten hätte. Wir haben einen virulenten Terror der rechtsextremistischen Szene und der neuen Nazis, der kaum öffentlich wahrgenommen wird. 2016 gab es erneut einen Rekord rechtsextremistisch motivierter Straftaten, der Verfassungsschutz spricht von 15.000 bis 20.000 gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland, darunter so merkwürdige rechte Erscheinungen wie die Identitären oder die Reichsbürger, die sich teilweise auch bewaffnet haben. Seit dem Fall der Mauer haben wir 180 Tote durch rechtsextremistisch motivierte Gewalt. Wer also davon spricht, dass das kein Problem sei, der hat nicht begriffen, was in diesem Land in Bewegung gekommen ist. Das rechtsextremistische Netzwerk in Deutschland wird sich durch das Urteil ermutigt fühlen.
Welches Signal geht davon aus?
Die Anhänger der NPD haben zu größeren Teilen in der AfD einen parlamentarischen Nachfolger gefunden. Die AfD war also ganz offenkundig erfolgreich, ehemalige NPD-Wähler anzusprechen. Wir haben daher allen Grund, genau hinzuschauen. Zumal die Zahl der Menschen, die wählen gehen, schrumpft: 40 Prozent der Bevölkerung oder mehr machen von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch mehr. Wir sollten aufhören, den Eindruck zu erwecken, dass sich Rechtsextremismus ausschließlich über eine Parteiorganisation definiert. Es gibt Kameradschaften, rechtsextreme Bündnisse und wachsende Demokratiemüdigkeit in Deutschland, die ein rechtes Klima befördert. Rechtsextremismus zu verhindern, funktioniert definitiv nicht, wenn eine Partei wie die CSU versucht, inhaltlich und verbal mit den rechten Populisten zu konkurrieren und deren Parolen mitzuformulieren.
Was kann dagegen unternommen werden?
Aufklärung ist notwendig! Wichtig wäre es, beispielsweise durch Schulparlamente den Schülern die Grundlagen eines demokratischen respektvollen Verhaltens zu vermitteln. Kinder und Jugendliche sollten die Erfahrung machen, was es bedeutet, sich einzubringen und sich Mitwirkungsrechte demokratisch zu erstreiten. Wir müssen den jungen Menschen Raum geben für soziales Lernen und dafür, selbstverständlich respektvoll miteinander umzugehen.
Mit dem Vorstandsvorsitzenden des Vereins »Gesicht Zeigen!« sprach Katrin Richter.