Arabische Welt

Recht normal

Der Alltag in Tunesien geht weiter. Auch der Synagogenbesuch gehört dazu. Foto: getty

Die kleine jüdische Gemeinde in Tunis macht schwierige Zeiten durch. Aber das will sich der Vorsitzende Roger Bismuth nicht anmerken lassen. »Die jetzige Situation betrifft alle Tunesier, Juden wie Nichtjuden«, sagt er. Und damit meint der 84-Jährige die sogenannte Jasminrevolution, die am 17. Dezember 2010 mit der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi in der Stadt Sidi Bouzid begann. Die Einwohner des nordafrikanischen Landes trieben Diktator Zine el-Abidine Ben Ali aus dem Land.

Seither demonstrieren sie für bessere Lebensqualität, verlangen Presse- und Redefreiheit. Dinge, die sich auch die rund 1.500 Juden in Tunesien wünschen. »Alles hier ist durcheinander, fast anarchisch«, sagt Bismuth, aber das Land in Richtung Israel verlassen, das kommt für ihn nicht infrage. »Es gab zwar neulich einen kleinen Vorfall, eine Demonstration vor unserem Haus, aber ich möchte deswegen nicht von Antisemitismus sprechen.«

Betreuung Auch Judy Amit, Afrika- und Asien-Koordinatorin des American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) in Jerusalem, sieht keine Anzeichen dafür, dass Juden in der arabischen Welt in Gefahr sind. »Wir stehen in sehr engem Kontakt zu den Gemeinden und wissen, dass das jüdische Leben in den Ländern, die wir betreuen, recht normal weitergeht.« In Libyen, dem Staat, in dem derzeit die heftigsten Kämpfe toben, gibt es keine jüdische Gemeinschaft mehr. Als letzte Jüdin, die das Land 2003 verließ, gilt Rina Debach, eine 80-jährige Frau.

In der arabischen Welt ist der JDC in Marokko, Tunesien und Ägypten aktiv. Die humanitäre Organisation, die sich laut Selbstverständnis nicht politisch äußert, kennt jedoch die fragile aktuelle Situation in Ländern wie Ägypten oder Tunesien. Dort müsse man die Entwicklungen tagtäglich aufmerksam beobachten – auch wenn Schulen geöffnet sind, die medizinische Versorgung stabil ist. Die JDC-Länderbeauftragten gelten als gut vernetzt und können schnell reagieren.

Alija Am einfachsten stellt sich die Lage in Marokko dar. Denn hier ist man von einer Revolution weit entfernt. Die dortige Gemeinde ist im Vergleich zu der in Tunesien oder Ägypten größer und jünger. Während es in Marokko etwa 4.000 Juden gibt, sind es in Ägypten nur noch 60 ältere Frauen und Männer. Allerdings sei das Leben in Marokko von hoher Arbeitslosigkeit geprägt. Juden seien aber weitgehend sicher, es gäbe keine Anzeichen von Gewalt gegen die Minderheit. Auch die Jewish Agency (JA), die Einwanderungsorganisation des Staates Israel, die Juden auf der ganzen Welt bei der Alija hilft, hat seit den Ausbrüchen der Revolution in der arabischen Welt keinen Anstieg Auswanderungswilliger bemerkt. »In den arabischen Ländern gibt es nur noch wenige Juden«, sagt ein Agency-Sprecher.

Die großen Alijot aus den arabischen Staaten erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg. Die American Sephardi Federation zählte 2001 insgesamt 7.800 Juden, die wegen schlechter Lebensbedingungen oder Verfolgung nach Israel auswanderten. Sollten die jüdischen Gemeinden in Tunesien und Marokko oder die wenigen ägyptischen Juden bedroht werden, dann gibt es sowohl beim JDC als auch bei der JA einen Plan, die Menschen zu betreuen oder sie zu retten.

Aufbau Judy Amit vom JDC bezeichnet das als Grundpfeiler der amerikanischen Organisation: »Rescue, Relief and Reconstruction«, was übersetzt Rettung, Hilfe und Wiederaufbau bedeutet. Dazu zählen beispielsweise in Tunesien Gesundheitsprogramme, Bildungsworkshops oder der Ausbau des Gemeindelebens. »Dadurch, dass wir eine unpolitische Organisation sind, ist es für uns manchmal leichter, an die Menschen vor Ort heranzukommen.«

Erfurt

CDU, BSW und SPD legen in Thüringen Koalitionsvertrag vor

Wegen der Außenpolitik des BSW ist das Bündnis umstritten

 22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Hessen

Boris Rhein verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

Der israelische Premier verteidige »sein Land gegen Terroristen«, so Rhein

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Außenministerin Annalena Baerbock will aber noch genauer prüfen, was der Entscheid des IStGH bedeutet

 22.11.2024

Budapest

Orbán: »Werde Netanjahu nach Ungarn einladen«

Regierungschef Viktor Orbán will seinen israelischen Amtskollegen trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes weiter empfangen

 22.11.2024

Atomprogramm

Iran kündigt Ausbau der Urananreicherung an

Der Atomstreit mit dem Iran geht in eine neue Runde

 22.11.2024