Rechtes Netzwerk

Razzia gegen »Reichsbürger« in acht Bundesländern

Polizei nimmt Reichsbürger-Szene ins Visier (Archivbild) Foto: picture alliance / AA

Rund 280 Einsatzkräfte haben am Donnerstagmorgen 20 Wohnungen in acht Bundesländern im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen mutmaßliche »Reichsbürger« durchsucht. Den 20 Beschuldigten im Alter zwischen 25 und 74 Jahren wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) mitteilten.

»Die Reichsbürgergruppierung hat im großen Stil bundesweit staatliche Einrichtungen beleidigt und teilweise massiv bedroht, hauptsächlich über Social Media«, sagte Herrmann. Zu konkreten Übergriffen sei es nach Erkenntnissen der Ermittler aber bislang nicht gekommen.

Bei den Razzien waren Beamte in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Niedersachsen und Hamburg im Einsatz. Ein Schwerpunkt war Baden-Württemberg mit zehn Durchsuchungen. Laut Herrmann wurden eine Schreckschusswaffe, Reizstoffgeräte, Smartphones und Datenträger sichergestellt. »Waffen waren nicht darunter«, hieß es in der Mitteilung der Ministerien.

Übergeordnetes Ziel sei es gewesen, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Einrichtungen zu destabilisieren

Die federführende Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, die Gruppe habe durch die gezielte, massenhafte Kontaktaufnahme mit Behörden deren Kommunikationswege blockieren und damit Einfluss auf deren Entscheidungen nehmen wollen. Übergeordnetes Ziel sei es gewesen, die Bundesrepublik Deutschland und ihre Einrichtungen zu destabilisieren und rechtmäßiges staatliches Handeln zu verhindern oder zumindest zu erschweren. »Die Gesprächspartner wurden beispielsweise mit Reichsbürgerthesen konfrontiert, der Begehung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen bezichtigt, beleidigt und teilweise mit dem Tode bedroht.« Die Ermittler sprachen von einem »Telegram-Netzwerk von Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern«.

Der mutmaßliche Rädelsführer der »Reichsbürger«-Gruppe kommt aus Oberbayern, aus Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck. Der 58-Jährige wurde laut Generalstaatsanwaltschaft München bereits im November 2021 festgenommen. Im April 2022 wurde der Mann unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung und Nötigung vor dem Landgericht München I angeklagt. Das Verfahren ist nach Angaben der Ermittler noch nicht abgeschlossen. Der Mann soll den maßgeblichen Telegram-Kanal der Gruppierung betrieben haben.

Bei den weiteren Ermittlungen stieß die Generalstaatsanwaltschaft dann auf zahlreiche weitere mutmaßliche Mitglieder der kriminellen Vereinigung, »welche teilweise ebenfalls dem Personenkreis der Reichsbürger und Selbstverwalter zugerechnet werden«. Bei 20 davon wurde am Donnerstag nun durchsucht, um Beweismittel sicherzustellen und weitere mögliche rechtswidrige Strukturen aufzudecken. »Alle Beweismittel werden akribisch ausgewertet«, sagte Innenminister Herrmann. Ziel sei »eine weitere Aufhellung des Reichsbürgerumfelds«.

»Reichsbürger« sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der »Reichsbürger« und »Selbstverwalter« 2022 deutschlandweit etwa 23 000 Menschen zu, 2000 mehr als im Vorjahr.

Erst im Oktober hatten Einsatzkräfte in mehreren Ländern zahlreiche Wohnungen sogenannter Reichsbürger durchsucht, die dem Umfeld der mutmaßlichen Terrorgruppe »Vereinte Patrioten« zugerechnet wurden. Dabei waren insgesamt fünf Verdächtige festgenommen worden.

Die Ermittlungen zu den »Vereinten Patrioten« waren auch Ausgangspunkt für die Ermittlungen zu der Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen, deren mutmaßliche Rädelsführer im Dezember 2022 verhaftet worden waren. Diese Gruppierung soll vorgehabt haben, das politische System in Deutschland mit Waffengewalt zu stürzen und eine neue Regierung zu installieren.

Auch einige der »Reichsbürger«-Gruppierungen, gegen die der Generalbundesanwalt ermittelt, hatten sich aus einer Vernetzung via Social Media heraus entwickelt.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechtsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024