Über elf Jahre ist es nun her, dass zehn Menschen bei einem Bombenattentat am Eingang des S-Bahnhofs Düsseldorf-Wehrhahn schwer verletzt wurden. Eine Mutter verlor dabei ihr ungeborenes Kind. Unter den Opfern waren auch sechs Juden, Sprachschüler aus der ehemaligen Sowjetunion, auf ihrem täglichen Rückweg vom Deutschunterricht.
Der NPD-Aussteiger Uwe Luthardt vermutet im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen die Zwickauer Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) hinter dem Düsseldorfer Anschlag – aber dies ist nicht mehr als eine Vermutung. Von den Ermittlungsbehörden sind bislang zu den neu aufgerollten Fällen noch keine Informationen zu bekommen.
Racheakt Immerhin wird bei diesem Fall mittlerweile eindeutig ein rechtsextremes Motiv vermutet. Bislang hatten die Ermittler lieber – ebenso wie bei den später erfolgten Morden des NSU-Trios an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern – persönliche Racheakte oder sogar mögliche Kontakte der Opfer zum organisierten Verbrechen vermutet.
Nach dem Düsseldorfer Anschlag gingen die Ermittler davon aus, dass es sich bei dem Täter um einen professionellen Bombenleger handelt. Gleichwohl stellte die 70-köpfige Ermittlergruppe bald ihre Arbeit ergebnislos ein, 50 Kartons mit Ermittlungsakten stapelten sich im Keller der Staatsanwaltschaft.
Doch seit die Zwickauer Terrorzelle im November 2011 aufflog, erscheint nicht nur der Düsseldorfer Anschlag in neuem Licht. In der Schweiz etwa wird der Fall eines 2001 ermordeten israelischen Rabbiners neu aufgerollt.
Und auch beim Sprengstoffanschlag 1998 in Berlin auf das Grab von Heinz Galinski, dem früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden, ist eine NSU-Verbindung möglich. Die massive Grabplatte wurde damals völlig zerstört. Hier kamen die Ermittler – wie in Düsseldorf – zu dem Schluss, dass dies das Werk eines oder mehrerer professioneller Bombenbauer war. Auch in Berlin wurde eine Sonderkommission eingerichtet, die fünf Monate später ergebnislos aufgelöst wurde.
schweiz Parallelen finden sich auch in Zürich: 2001 wurde der 70-jährige Rabbiner Abraham Grünbaum, ein aus Polen stammender Schoa-Überlebender, auf dem Weg in die Synagoge erschossen. Ein Raubmord war auszuschließen, da Grünbaum noch über 1.000 Schweizer Franken und ein Flugticket bei sich trug. Auch in Zürich hält sich die Polizei bislang mit Verlautbarungen zurück.
Doch ähnlich wie die der NSU zugeordneten Morde in Deutschland wurde der Rabbiner in Zürich aus wenigen Metern Entfernung aus einer Pistole erschossen. Interessant ist auch die zeitliche Nähe zu anderen Morden der NSU in Deutschland: Eine Woche nach den Schüssen auf den Rabbiner wurde in Nürnberg ein türkischer Änderungsschneider erschossen. Wiederum eine Woche später ein Obsthändler in Hamburg, später dann ein türkischer Kleinunternehmer in München.
Zu diesem Zeitpunkt agierten die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos schon seit drei Jahren im Untergrund. Nachdem die Polizei in Jena eine Bombenwerkstatt mit Rohrbomben und dem Sprengstoff TNT ausgehoben hatte, tauchten sie ab. Das Trio war Mitglied des Kameradschaftsnetzwerks »Thüringer Heimatschutz«, in dessen Umfeld zu dieser Zeit mehrerer Sprengstoffdelikte aktenkundig wurden.
»Pogromoly« Zur gleichen Zeit vertrieben sie in der rechtsextremen Szene die selbst entworfene makabre Kopie des Spieleklassikers »Monopoly«, die sie »Pogromoly« nannten: Die Bahnhöfe des Brettspiels tragen die Namen von KZ, die Karten und das Brett des Spiels sind mit NS-Symbolen übersät.
Zu den engsten NSU-Unterstützern soll schon damals der langjährige NPD-Funktionär aus Jena, Ralf Wohlleben, gehört haben. Sein damaliger Stellvertreter als Kreisvorsitzender war der Aussteiger Uwe Luthardt. Er berichtet, dass im Umfeld von »Heimatschutz« und NPD Fantasien einer »neuen Reichskristallnacht« kursiert seien.
Ralf Wohlleben hatte ausgezeichnete Kontakte zur rechtsextremen Szene in der Schweiz. Und die Pistole, eine Ceska, mit der in Deutschland die Kleinunternehmer erschossen wurden und die Wohlleben besorgt haben soll, stammt auch aus der Schweiz.