Sie beraten hinter verschlossenen Türen. Alles ist streng vertraulich, Beobachter sind nicht zugelassen. Kein Schild weist draußen darauf hin, dass im Kidduschraum der Berliner Synagoge Joachimstaler Straße das Rabbinatsgericht (Beit Din) der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) tagt. Nur die Sitzungspause am Nachmittag erlaubt einen kurzen Blick in den Raum, der mit einem Gerichtssaal nicht viel gemein hat: Die Beteiligten sitzen an langen, mit weißen Plastikdecken versehenen Tischen, ein Laptop ist aufgeklappt, ein paar Akten liegen daneben.
Erstmals sind die Rabbiner in dieser Zusammensetzung im Beit Din zusammengekommen. Seit Sonntag vergangener Woche fand die Sitzung in Köln statt, am Mittwoch in Berlin. Die beiden neuen Dajanim (Rabbinatsrichter) Avraham Hale und David Gruzman sind eigens angereist, entsandt vom Israelischen Oberrabbinat in Jerusalem, um gemeinsam mit den hiesigen Rabbinern Recht zu sprechen. Ein Beit Din besteht aus drei Mitgliedern. Am Mittwoch sind daher auch der Berliner Rabbiner Yitshak Ehrenberg, Rabbiner Jaakov Ebert aus Würzburg und der Dortmunder Rabbiner Avichai Apel mit dabei.
Generationswechsel 2003 wurde die ORD gegründet. Zuvor mussten Entscheidungen zum Beispiel in London eingeholt oder wechselnde Rabbinatsrichter eingeflogen werden. Seit mehr als fünf Jahren hat die ORD einen zentralen Beit Din. Die dort bislang amtierenden israelischen Dajanim hätten sehr gute Arbeit geleistet, lobt ORD-Vorstandsmitglied Apel. Nun gäbe es eine Art Generationswechsel. »Wir sind dem israelischen Oberrabbinat sehr dankbar, dass man uns diese Rabbiner entsandt hat, die über viel Erfahrung verfügen.« Damit werde die Arbeit des zentralen Beit Din noch effektiver. Und schon bei der ersten Sitzung sei klar geworden, dass sie sich mit »viel Verständnis und Geduld« den Problemen der Menschen widmen, die das Beit Din aufsuchen, sagt Apel. Man wolle versuchen, zukünftig mindestens dreimal jährlich zusammenzukommen. Bei Bedarf auch häufiger.
35 verschiedene Fälle haben die Rabbiner diesmal zu beraten. Über Details und Namen wird nichts verraten. Nur so viel: Es geht um Scheidungen, Übertritte und und andere Fragen, wie zum Beispiel »Birur Jahadut«, die Klärung der Zugehörigkeit zum Judentum bei Personen, die nicht über entsprechende Dokumente verfügen.
fundament Auch andere Fragen mit halachischem Hintergrund landen vor dem Beit Din, beispielsweise Streitigkeiten zwischen Einzelpersonen oder mit der Gemeinde. Rabbiner Ebert betont, dass ein orthodoxer Beit Din ein wichtiges Fundament jüdischen Lebens ist: »In Deutschland leben vielleicht nicht so viele Juden wirklich orthodox, aber viele richten sich nach der Orthodoxie. Und sie wünschen sich Entscheidungen von orthodoxen Rabbinern, deren Urteil auch weltweit anerkannt wird.«
Dies sei durch die ORD gewährleistet und durch die Dajanim aus Israel. Für Rabbiner Avraham Hale aus Bnei Brak ist bei seiner ersten Sitzung in Deutschland viel Vertrautes, aber auch Neues dabei. Er habe die Gelegenheit gehabt, die besonderen Fragen der hiesigen Gemeinschaft kennenzulernen, sagt der Dajan. Doch gäbe es auf diese Fragen allgemeingültige Antworten: »Die Halachot gelten für das ganze Volk Israel. Es gibt keine besonderen Regeln für Deutschland.«