Nicht nur auf Twitter ist der Name Elon Musk seit gestern Abend in aller Munde. Seitdem ist nämlich klar, dass der Südafrikaner demnächst alleiniger Eigentümer des sozialen Netzwerks werden wird. 44 Milliarden Dollar – immerhin ein Sechstel seines Gesamtvermögens – wird den reichsten Menschen auf Erden die Übernahme kosten.
HASSBOTSCHAFTEN Ein User frotzelte am Dienstag, während Musk dafür ein Vermögen ausgebe, habe er sich die Twitter-App ganz umsonst heruntergeladen. Auch einige jüdische Organisationen reagierten auf den Megadeal.
»Die Konferenz europäischer Rabbiner gratuliert Elon Musk zu seiner Übernahme von Twitter. Wir wünschen ihm viel Erfolg dabei, das volle Potenzial der Plattform auszuschöpfen«, sagte Pinchas Goldschmidt, der Präsident des Dachverbandes orthodoxer Rabbiner. Das schließe allerdings, schob Goldschmidt nach, auch ein, dass künftig Hassbotschaften, Extremismus und Antisemitismus entschlossen bekämpft würden. Diese Art von Inhalten seien bislang noch zu oft auf Twitter zu finden.
Es brauche daher einen »klaren Bruch mit der Vergangenheit«, so der Moskauer Oberrabbiner. Er forderte Musk zur Annahme der IHRA-Arbeitsdefinition zum Antisemitismus auf, schließlich werde diese »von Regierungen und Polizeibehörden in aller Welt« angewendet.
Ob Elon Musk derselben Ansicht ist, darf bezweifelt werden. Seine ersten Ankündigungen im Hinblick auf die künftige Ausrichtung des 2006 geschaffenen Kurznachrichtendienstes mit aktuell 330 Millionen aktiven Nutzern deuten eher darauf hin, dass Musk in die entgegengesetzte Richtung tendiert. Der Tesla-Gründer sieht sich selbst als »Free-Speech-Absolutisten«, lehnt die Regulierung von Inhalten auf Twitter ab. Allerdings hat sein vorgeblicher Absolutismus ihn schon bislang nicht davon abgehalten, auch andere, ihm kritisch gesonnene Twitter-User zu blockieren.
SPIELREGELN EU-Kommissar Thierry Breton warnte Musk, er müsse sich den europäischen Spielregeln »vollständig« unterwerfen. Die wichtigsten EU-Institutionen hatten sich vergangenen Freitag auf den sogenannten Digital Services Act verständigt, ein Bündel von Maßnahmen, das zum Ziel hat, große Internetkonzerne und soziale Netzwerke stärker zu regulieren.
Jonathan Greenblatt, der Geschäftsführer der amerikanischen Anti-Defamation League (ADL), zeigte sich »vorsichtig optimistisch, aber auch vorsichtig« im Hinblick auf die Twitter-Übernahme durch Musk. »Wir haben gesehen, wie Elon Musk ein Autogeschäft aufgebaut hat, das besser für den Planeten ist, und ein (Raumfahrt-) Unternehmen, das sich darauf konzentriert, neue Möglichkeiten im Weltall zu eröffnen«, sagte Greenblatt der New Yorker Tageszeitung »Daily News«. Es sei daher auch nicht ausgeschlossen, dass der Multimilliardär für eine gesündere Debattenkultur auf Twitter sorgen werde.
Doch in Greenblatts Worten schwang auch Skepsis mit. Musks Pläne könnten auch zu mehr Antisemitismus auf Twitter führen. Erst vor Kurzem war der ADL-Chef Musk scharf angegangen: »Ich bin froh, dass @elonmusk seinen beleidigenden Tweet gelöscht hat. Holocaust-Vergleiche sind gefährlich – es liegt in unser aller Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Geschichte des #Holocaust nicht vergessen oder bagatellisiert wird. Es steht zu viel auf dem Spiel«, schrieb Greenblatt Mitte Februar auf Twitter.
Elon Musk hatte zuvor ein Bild von Adolf Hitler gepostet, auf dem der Satz geschrieben stand: »Hört auf, mich mit Justin Trudeau zu vergleichen«. Nach Kritik löschte er seinen Tweet.