Bundeswehr

Rabbi in Uniform

Jüdische Militärseelsorge hat in Deutschland eine gute und lange Tradition. Ein Blick zurück

von Hans-Ulrich Dillmann  21.02.2019 09:07 Uhr

»Mann des Friedens im Gewande des Krieges«: Rabbiner Aron Tänzer um 1916 an der Ostfront Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung

Jüdische Militärseelsorge hat in Deutschland eine gute und lange Tradition. Ein Blick zurück

von Hans-Ulrich Dillmann  21.02.2019 09:07 Uhr

Aron Tänzer war ein sozialer und zugleich wertkonservativer Mensch. An den in Bratislava geborenen späteren Göppinger Gemeinderabbiner erinnert heute das Rabbiner-Tänzer-Haus in der Freihofstraße 46. Im ehemaligen Rabbinatsgebäude wirkte Tänzer über Jahrzehnte. Er starb im Februar 1937 – verfemt von den Nazis.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte sich der Nationalgesinnte freiwillig als Feldrabbiner an die Ostfront gemeldet. Neben der seelsorgerischen Tätigkeit für die »jüdischen Soldaten im Felde« half er im Lazarett und richtete für die notleidende Bevölkerung Volksküchen ein.

»Als Mann des Friedens im Gewande des Krieges« beschrieb er seine Rolle. Ein Foto aus der Zeit zeigt ihn in Soldatenuniform mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und um den Hals einen Magen David. Rabbiner Aron Tänzer war einer von etwa 30 deutschen Feldrabbinern im Ersten Weltkrieg. Der bekannteste war Leo Baeck, einer der bedeutendsten Vertreter des liberalen Judentums in Deutschland.

SCHABBAT Anders als die kaiserlichen Streitkräfte ist die Bundeswehr, 100 Jahre später, eine der Demokratie verpflichtete Armee mit »Staatsbürgern in Uniform«. Wer aber heute als jüdischer Soldat am Schabbat bei der Bundeswehr dawnen möchte oder als muslimischer Soldat am Freitag seinen Gebetsteppich ausrollen will, sucht vergeblich nach einem eigenen Feldgeistlichen.

In der Bundeswehr
dienen 250 bis 300
jüdische Soldaten.

Katholisches und evangelisches Bundeswehrpersonal hat es da besser. Insgesamt gibt es nach Auskunft des Verteidigungsministeriums 108 evangelische und 56 katholische Militärseelsorger. In Einsätzen werde die religiöse Betreuung zumeist durch multinationale Militärimame oder -rabbiner gesichert, erklärt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Nichtchristliche Soldatinnen und Soldaten dürfen aber bei der religiösen Betreuung keine Soldaten zweiter Klasse sein, fordert der Bund jüdischer Soldaten (BjS) schon seit Jahren. Das Verteidigungsministerium müsse endlich auch eigene Militärseelsorger für jüdische Bundeswehrangehörige einstellen. Sie »stehen wie ihre christlichen Kameraden für die Werte unserer Nation ein«, heißt es in einer Grundsatzerklärung des BjS. »Ihr Recht auf Religionsfreiheit steht denen christlicher oder atheistischer Kameraden in nichts nach.«

»Wenn Juden in der Bundeswehr dienen, dann sollten sie auch von Militärrabbinern betreut werden«, betont auch der Historiker Julius H. Schoeps. »Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit.«

religionszugehörigkeit Da die Bundeswehr aber bei der Einstellung von Soldaten und Zivilpersonal nicht nach der Religionszugehörigkeit fragt, gibt es keine verlässlichen Zahlen. Experten schätzen die Zahl der jüdischen Militärangehörigen auf 250 bis 300 Personen. Ein bis zwei Militärrabbiner könnten diesen Personenkreis effektiv betreuen, findet der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Mit zwei Rabbinern, einem orthodoxen und einem liberalen, wäre auch die religiöse jüdische Spannbreite abgedeckt.

Größer dürfte die Zahl der in der Bundeswehr dienenden Muslime sein. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, geht von heute etwa 1500 Muslimen in der Bundeswehr aus.

Dass es bislang keine Imame bei der Truppe gibt, liege daran, dass das Verteidigungsministerium aufgrund der Vielzahl islamischer Verbände »keinen verlässlichen und zentralen Ansprechpartner hat«, heißt es aus Militärkreisen.

Die Liste der Befürworter einer jüdischen Militärseelsorge ist mittlerweile recht lang

UNTERSTÜTZER Die Liste der Befürworter einer jüdischen Militärseelsorge ist mittlerweile recht lang. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, argumentiert, dass Militärrabbiner in der »Ausbildung der Soldaten jüdische Ethik und Werte« vermitteln könnten und so zur Stärkung der Inneren Führung und des Demokratieverständnisses von Soldaten beitrügen. Auch der Arbeitskreis für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion hat sich Ende Januar für jüdische und muslimische Seelsorge in der Bundeswehr ausgesprochen.

Seit sieben Jahren prüft das Verteidigungsministerium den Bedarf an jüdischer und muslimischer Seelsorge. Bisher ohne Ergebnis. Hans-Peter Bartels, der seit Jahren Militärimame und -rabbiner fordert, wünscht sich bald eine »institutionalisierte Lösung, die den Soldatinnen und Soldaten verlässliche Ansprechpartner garantiert«.

Seit sieben Jahren prüft das Verteidigungsministerium den Bedarf an jüdischer und muslimischer Seelsorge.

Zwar gibt es für nichtchristliche Militärangehörige die Zentrale Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen (ZASaG), die beim Zentrum Innere Führung angesiedelt ist. Aber eine Seelsorge kann dadurch nicht ersetzt werden. Das weiß man auch in den Führungsetagen des Verteidigungsministeriums. Dass man sich dort des Themas bewusst ist, erkennt man schon daran, dass es sogar zwei Publikationen gibt, die militärischen Vorgesetzten den Umgang mit »deutschen Staatsbürger jüdischen beziehungsweise islamischen Glaubens in der Bundeswehr« nahebringen.

militärseelsorger In den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Großbritannien gibt es längst muslimische Militärseelsorger. In Österreichs Bundesheer hat vor Kurzem der erste Rabbiner seinen Dienst angetreten. Eine jüdische Seelsorge gibt es auch in Großbritanniens Armee.

In den USA ist rund eine halbe Hundertschaft als »Jewish chaplains on duty« tätig. Und zwar erfolgreich, wie Oberstleutnant Rabbiner Henry Soussan sagt. Er verrichtet derzeit an der West Point Military Academy seinen Dienst. Alle Seelsorger seien militärischen Einheiten zugeordnet, »ohne Rücksicht auf ihre Konfession«.

Der größte Teil seiner Arbeit und der seiner jüdischen Kollegen richte sich dadurch an nichtjüdische Soldaten, betont Soussan. »Dies führt zu der positiven Situation, dass die Soldaten den Seelsorger als ›ihren Geistlichen‹ und nicht als ›jüdischen‹ oder ›katholischen Geistlichen‹ betrachten.«

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