Im Deutschen Bundestag wird eine würdige Gedenkstunde veranstaltet, der Bundestagspräsident hält eine eindrucksvolle Rede, der Bundespräsident, die Kanzlerin, das gesamte Kabinett und nahezu alle Abgeordneten sind anwesend, als Inge Deutschkron eine höchst bewegende und berührende Rede hält. Sie erzählt aus eigenem Erleben, wie es sich etwa damals anfühlte, als jüdisches Mädchen, gebrandmarkt mit dem gelben Stern, mitten durch Berlin zu gehen. Schwer war es, davon unberührt zu bleiben.
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF aber blenden sich bewusst mit ihren beiden Hauptprogrammen einfach aus. Es mag zwar nicht so gemeint gewesen sein, doch die beiden Sender transportierten hier das Signal von vermeintlichem Desinteresse: Eine Schande ist das – und schämen sollten sie sich dafür!
Zeitzeugen Jeder redet von verantwortungsvoller Gedenkkultur. Die Öffentlich-Rechtlichen jedoch scheinen nun der »Quotenkultur« Vorrang zu geben. Da spricht eine der letzten Zeitzeugen an einem so bedeutenden Tag, an einem so bedeutenden Ort. Doch anscheinend ist das, was sie sagt, für ARD und das ZDF nicht bedeutend genug, um ihr Programm zugunsten einer Live-Übertragung zu ändern: Boulevardmagazine statt der seltenen Möglichkeit, Geschichte aus erster Hand auf derart eindringliche Art und Weise zu vermitteln.
Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender erklären uns in der aktuellen, kontrovers geführten Diskussion um die neuen GEZ-Zwangsgebühren, wie wichtig die Verantwortung ist, die sie wahrzunehmen haben. Diesen Anspruch befürworte ich persönlich sehr. Und ich denke: Er sollte uns auch etwas wert sein. Wenn aber die Verantwortung derart offensichtlich nicht wahrgenommen wird, kann ich keinerlei Absicht der Sender mehr erkennen, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Tatsache ist: Mit ARD und ZDF saß man vergangenen Mittwoch nicht in der ersten Reihe, sondern ganz weit draußen. Und mit dem ZDF, das hier offenbar zuständig war, sah man nicht etwa besser – sondern gleich überhaupt gar nichts.