YouTube verdrängt auch in Russland das Fernsehen. Dort talkt der junge Blogger Yury Dud mit der russischen Prominenz. Fünf bis sechs Millionen Menschen sehen das. Eine Frage stimmt alle nachdenklich: »Stünden Sie vor Wladimir Putin, was würden Sie ihm sagen?«
Ich habe etliche Laptopbildschirme postsowjetischer Juden in Deutschland gesehen, auf denen das berühmte »Putin mit freiem Oberkörper zu Pferd«-Bild zu sehen ist. Aber ich habe auch weit mehr als ein Dutzend Mal die absolute Ablehnung von Putins Politik durch postsowjetische Juden gehört.
wähler Der alte und neue Präsident Russlands spaltet. Trotzdem standen in den endlosen Schlangen vor der Botschaft und Konsulaten an diesem kalten Sonntag vor allem seine Wähler – nichtjüdisch wie jüdisch.
Wladimir Putin hat sich mit der ganzen Welt angelegt und sie mit in die Krise gestürzt. Zwei Reden Putins stehen dafür exemplarisch: 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz und 2014 im Kreml. Die erste brachte die bitter enttäuschte Liebe und die angedrohte Rache dem Westen gegenüber zum Ausdruck. In der zweiten sagte er, die Krim sei »endlich in den Heimathafen« zurückgekehrt.
kampagne Würde ich Putin treffen, ich schlüge ihm vor, eine dritte Rede zu halten, nämlich eine »Berliner Rede«. Sie würde Wege zu einer politischen und menschlichen Versöhnung zwischen Russland und Europa skizzieren. Ich würde – ganz Diplomat! – ihm nicht die furchtbare staatlich sanktionierte antiwestliche und antiukrainische Propaganda vorwerfen, sondern mich im Namen Deutschlands für eine wenig appetitliche antirussische Kampagne in Teilen unserer Medien entschuldigen.
Anschließend würde ich ihm sagen, dass die postsowjetischen Juden in Deutschland keine »fünfte Kolonne« sind – von niemandem. Vielmehr sind sie eine wichtige belastbare Brücke zwischen den kaputten Welten, die wir zusammen in Ordnung bringen müssen.
Der Autor ist Historiker und Referent bei ELES in Berlin.