Der Publizist Rafael Seligmann kritisiert Bayerns Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) für dessen Umgang mit den jüngsten Antisemitismusvorwürfen. »Man sollte mit solchen Geschehnissen offensiv umgehen und nicht herumdrucksen, gerade wenn man selbst als Politiker stets sehr offensiv formuliert«, sagte Seligmann am Sonntag. »Der Herr Aiwanger kommt mir ein bisschen wie ein Aal vor.«
Seligmann ergänzte: »Das Flugblatt ist widerlich. Ob Aiwanger es war, ob es sein Bruder war - das ist kein Jungenstreich, es ist schon eine böse Angelegenheit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bruder das allein gemacht hat, zumal Hubert Aiwanger das Papier in seiner Tasche hatte.«
Seligmann betonte: »Für mich wäre es sauber zu sagen: Das ist geschehen, damals waren mein Bruder und ich Halbwüchsige. Heute bereue ich das, heute lehne ich das vollends ab, ich habe mich inzwischen zu einem reifen moralischen Menschen entwickelt und zu einem guten Demokraten.«
Der in Berlin lebende Seligmann moderiert seit rund einem Jahr die »Ichenhausener Synagogengespräche für die Zukunft«. Ichenhausen liegt zwischen Ulm und Augsburg und war einst eine jüdische Hochburg; Seligmann hat dort familiäre Wurzeln. Ziel der »Synagogengespräche« ist es, »von jüdischen Werten ausgehend aktuelle Debatten mit Strahlkraft in die Gesellschaft zu tragen, nicht zuletzt angesichts eines immer lauter werdenden Antisemitismus«.
Sechs Wochen vor der Landtagswahl in Bayern sorgt der Vorfall rund um das Flugblatt für Schlagzeilen. Aiwanger bestritt am Samstag, als Schüler das Papier verfasst zu haben - dies hatte die »Süddeutsche Zeitung« berichtet. Aiwanger erklärte: »Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend.« Es seien davon in seiner Schultasche »ein oder wenige Exemplare« gefunden worden.
Später sagte Aiwangers Bruder Helmut der Mediengruppe Bayern, das im Schuljahr 1987/88 abgetippte Pamphlet stamme von ihm: »Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen bin und aus meinem Kameradenkreis herausgerissen wurde.« Vom Inhalt distanziere er sich. Dass der Bruder die Verantwortung für das Papier übernahm, bestätigte die Bundespressestelle der Freien Wähler.