Im Leipziger Verleumdungsprozess gegen den Sänger Gil Ofarim hat der Sachverständige Dirk Labudde am Mittwoch den ersten Teil seines Gutachtens vorgestellt. Der Digital-Forensiker hat nach eigenen Aussagen in den Videoaufnahmen der Hotellobby des Leipziger »Westin« keinen Davidstern an einer Kette bei dem Angeklagten wahrnehmen können.
»Es sei kein leuchtendes, reflektierendes, metallisches Objekt im Brustbereich sichtbar«, sagte Labudde. Ein solcher Gegenstand könne in den Videos erst festgestellt werden, nachdem Ofarim das Hotel verlassen habe. Sein mehrstündiger Vortrag soll in der Verhandlung am Donnerstag fortgesetzt werden.
Labudde hatte die Aufnahmen der Hotelkameras aus der Lobby ausgewertet und dafür das Video in einzelne Bilder zerlegt und Ausschnitte vergrößert. Ein Ton wurde nicht aufgezeichnet. Ofarim hatte behauptet, dass ein Mitarbeiter des Hotels ihm mit Blick auf seinen Davidstern an einer Kette gesagt habe: »Pack deinen Stern weg.«
Zuvor hatte am Mittwoch ein weiterer Zeuge ausgesagt. Der Sicherheitstechniker Michael K. hatte einst die Überwachungskameras im Leipziger Hotel »Westin« installiert und ist Administrator für das Video-Sicherheitssystem. Er hatte eigenen Angaben zufolge einige Tage nach dem fraglichen Vorfall in der Hotellobby, erst am 8. Oktober 2021, die Daten für die Ermittlungen der Polizei gesichert.
Zeugenaussagen und Videos ergeben diffuses Bild
Er habe nicht erkennen können, dass vor ihm jemand Daten aus dem System abgerufen hätte, sagte er. Grundsätzlich sei es aber nach dem Vier-Augen-Prinzip möglich, dass zwei Hotelmitarbeiter die Videos bereits vorher anschauen. Er könne allerdings weder bestätigen noch ausschließen, dass dies auch so war. Andere Zeugen hatten laut Verteidigung bereits am Tag zuvor, am 7. Oktober, Videos von der Anwaltskanzlei des Hotels bekommen.
In der Verhandlung wurden mehrere Videoaufnahmen gezeigt. Deren Bildqualität war dabei sehr unterschiedlich, manche Szenen sind farbig, andere schwarz-weiß und auch zum Teil unscharf. Der 51 Jahre alte Zeuge begründete dies mit einem unterschiedlichen Lichteinfall.
Ofarim muss sich seit dem 7. November wegen mutmaßlicher Verleumdung, falscher Verdächtigung sowie Betrugs verantworten. Der Sänger hatte im Oktober 2021 in einem Instagram-Video behauptet, in der Hotellobby des »Westin« antisemitisch beleidigt worden zu sein.
Danach ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen einen Hotelmanager, stellte die Untersuchungen aber später ein.
Der Mitarbeiter tritt nun im Prozess als Zeuge und Nebenkläger auf. Vor Gericht sagte er, dass er mit dem Musiker zwar eine Auseinandersetzung hatte, ihn aber nicht beleidigt habe.
Mehrere Zeugen bestätigten an den ersten Prozesstagen vor Gericht, dass sie keine antisemitischen Äußerungen gehört haben. Strittig ist laut Anklage auch, ob der Sänger an diesem Tag den Stern überhaupt getragen hat. Laut Verteidigung ist das jüdische Symbol aber auf Videos an dem Sänger zu sehen.
Wegen eines technischen Fehlers und langen Wartezeiten beim Check-in soll Ofarim bei dem Vorfall von einem »Scheißhotel« gesprochen und gedroht haben, eine schlechte Bewertung in den sozialen Medien abzugeben. Der Hotelmanager checkte ihn darauf nicht ein. epd