Ein früherer Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen ist vor dem Landgericht Neuruppin wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Nun stellt sich der Justiz die Frage, ob der 100-Jährige überhaupt vor Gericht erscheinen kann.
»Die Verhandlungsfähigkeit des Mannes soll begutachtet werden«, sagte Gerichtssprecherin Iris le Claire. Ob der Mann am Prozess teilnehmen kann, könnte vermutlich ab Ende Mai verhandelt werden, so le Claire. Andernfalls wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.
Der 100-Jährige soll laut Anklage von 1942 bis 1945 im KZ Sachsenhausen nahe Berlin wissentlich und willentlich Hilfe zur grausamen Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben. Es geht um Beihilfe zum Mord in 3518 Fällen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Neuruppin, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich die KZ Sachsenhausen und Ravensbrück lagen, ist derzeit noch ein weiteres Verfahren gegen einen ehemaligen KZ-Wachmann offen. »Die Ermittlungen dauern noch an«, sagte der Leiter der politischen Abteilung, Cyrill Klement. Vor allem gehe es auch hier um die Frage, ob der Mann im hohen Alter noch verhandlungsfähig ist.
Immer wieder werden Verfahren gegen ehemalige SS-Wachmänner eingestellt, weil die Beschuldigten angeblich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vor Gericht erscheinen können. In Neuruppin waren im vergangenen Frühjahr noch acht Verfahren anhängig, sagte Klement. Die meisten davon mussten wegen der Verhandlungsunfähigkeit der Beschuldigten eingestellt werden, oder weil sie inzwischen verstorben sind.
Seit dem Urteil gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk im Jahr 2011 besteht die Justiz nicht mehr auf den oft unmöglichen Nachweis individueller Schuld. Auch die allgemeine Dienstausübung in einem Lager, in dem erkennbar systematische Massenmorde stattfanden, kann juristisch geahndet werden.
Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 nach Angaben der dortigen Gedenkstätte mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende Häftlinge wurden dort von den deutschen Nazis ermordet. dpa/ja