Begleitet von Protesten in Hannover hat die Evangelische Akademie im niedersächsischen Loccum am Donnerstagabend den iranischen Botschafter in Deutschland zu einer Diskussion empfangen. Im Gespräch mit Nahost-Experten und Regimekritikern warf Ali Reza Sheikh Attar der westlichen Welt vor, sie sei nicht an einer friedlichen Einigung im Atomstreit interessiert. »Ein Dialog im Beisein der Waffen ist nicht möglich«, sagte der Diplomat.
Zugleich forderte er insbesondere die USA auf, sich nicht in innere Angelegenheiten seines Landes einzumischen. Der Auftritt des Botschafters war umstritten, da er als ein enger Vertrauter von Präsident Mahmud Ahmadinedschad gilt. Kritiker warfen ihm vor, in den 80er-Jahren mitverantwortlich für Massaker an Kurden gewesen zu sein.
Kritik Gegen den Auftritt des Botschafters hatten zuvor rund 50 Menschen vor dem Landeskirchenamt in Hannover demonstriert. Den Protesten des Bündnisses »Stop The Bomb« schlossen sich Exil-Iraner, Mitglieder der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover, der Jusos und der Grünen Jugend, Vertreter evangelischer Kirchengemeinden und die Deutsch-Israelische Gesellschaft an.
Zur Tagung der Evangelischen Akademie in Loccum waren 65 Teilnehmer angereist. Die Diskussion mit dem Botschafter stand unter der Überschrift »Neue Dynamik in der Iranpolitik – Eine deutsche und europäische Aufgabe?«. Neben Attar hatte die Akademie zahlreiche regimekritische Referenten eingeladen.
Attar sagte, die Islamische Republik Iran strebe keine Atomwaffen an. »Wir sind nicht Pakistan oder Nordkorea.« Diese Staaten seien politisch und wirtschaftlich isoliert. Als Nation mit einer mehr als 7000-jährigen Geschichte wolle der Iran jedoch eine geistig-spirituelle Vorbildfunktion in der Region des Nahen und Mittleren Ostens einnehmen. »Durch Atomwaffen kann man keinen Einfluss haben.«
Massenvernichtungswaffen seien in seinem Land darüber hinaus gesetzlich strengstens verboten, sagte der Diplomat mit Blick auf ein islamisches Rechtsgutachten des obersten religiösen Führers im Iran, Ajatollah Ali Seyed Chamenei. »Diese Fatwa ist die wichtigste und höchste Garantie.« Die Staatengemeinschaft solle die damit gemachte Zusage anerkennen und so ein Zeichen des Vertrauens aussenden.
Regimewechsel Der Direktor des Berliner Aspen Institute, Charles Mallory, warf dem Iran vor, er erschwere durch die andauernde Infragestellung des Existenzrechts Israels eine Lösung der offenen Fragen. Anlass für Befürchtungen, die USA wollten deshalb einen Regimewechsel im Iran erzwingen, gebe es jedoch nicht.
Mallory äußerte die Erwartung, dass nach den iranischen Präsidentschaftswahlen in Juni dieses Jahres mehr Bewegung in die Atom-Verhandlungen komme: Derzeit gebe es bereits mehrere Wege, auf denen beide Staaten sowohl offiziell wie auch inoffiziell in Kontakt stünden. »Ziel innerhalb einer überschaubaren Periode müssen normale Beziehungen zwischen unseren Ländern sein.« Erst dann könne es eine politische Einigung im Atomkonflikt geben.
Der frühere deutsche Botschafter in Teheran und jetzige geschäftsführende Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Paul Freiherr von Maltzahn, mahnte hingegen an, die Lösung der Nuklearfrage müsse »höchste Priorität« haben. Andere Fragen sollten dahinter zurückstehen. So dürfe die Frage der Menschenrechte einerseits nicht unterschätzt, aber auch nicht zu sehr in den Vordergrund gerückt werden. epd