Frankfurt/Main

Protest gegen Adorno-Preis für Judith Butler

Sie ist die erste Frau, die den Theodor-W.-Adorno-Preis der Stadt Frankfurt erhalten hat. Und sie löste vermutlich die größte Kontroverse um die Verleihung dieser Auszeichnung in deren 35-jähriger Geschichte aus. Am Dienstag wurde die amerikanische Philosophin Judith Butler (56), die in Berkeley als Professorin für Rhetorik und Vergleichende Literaturwissenschaft lehrt, in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet.

entscheidung Ihre »Reflexion von Identität und Körper«, begründete Kulturdezernent Felix Semmelroth die Entscheidung des Kuratoriums, habe »eine fundamentale Umwälzung in der Definition der Geschlechterrollen bewirkt«. Wie Adorno hebe sie den gesellschaftlichen Kontext ethischer Probleme hervor und verstehe Kritik in dessen Sinne als »Voraussetzung für Demokratie und als Absage an Gewalt«.

Das sahen die etwa 150 Menschen, die dem Aufruf des Aktionsbündnisses »Kein Adorno-Preis für Antisemiten« gefolgt waren, anders. Sie hatten sich vor dem Kirchenportal versammelt und protestieren gegen die Preisverleihung. »Diese Frau, die zwei Terrororganisationen unterstützt und deren Aktivitäten verharmlost, hat keinen Preis verdient, vor allem nicht in Frankfurt, der Partnerstadt Tel Avivs«, empörte sich etwa Sacha Stawski, einer der Initiatoren, die zu der Kundgebung aufgerufen hatten. Das sei eine »totale Fehlentscheidung des Kuratoriums«, fand auch Stefan Szajak, Verwaltungschef der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. »Am Israel chaj!« (Das Volk Israel lebt), sangen die Demonstranten und schwenkten Israelfahnen. Währenddessen wurden auf der anderen Seite des mit Absperrungen gesicherten Spaliers Schilder mit »Thank you, Judith« in die Luft gehalten.

versagen Die Wahl der Wissenschaftlerin hatte schon im Vorfeld scharfe Reaktionen ausgelöst. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, kritisierte die Wahl Butlers als »systemisches Versagen« des Kuratoriums. Butler sei eine »bekennende Israel-Hasserin«, die die »Todfeinde des jüdischen Staates«, die Hisbollah und die Hamas, als »legitime soziale Bewegungen« bezeichne. Es sei eine »deutsche Vorliebe, Juden auszuzeichnen, die für eine einseitige und politisch blinde Form der Kritik an Israel« stünden, so Kramer.

Israels Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, nannte die Entscheidung, die jüdische Gelehrte in Frankfurt zu ehren, »enttäuschend«. Butler habe sich entschieden, an vorderster Front derjenigen zu stehen, die einen Boykott Israels befürworten. »Wir sind nicht in der Position, die wissenschaftlichen Verdienste von Judith Butler zu beurteilen, aber wir können diese nicht unabhängig von ihren Ansichten gegenüber Israel betrachten«, so Hadas-Handelsman weiter.

laudatio Die Frankfurter Literaturwissenschaftlerin Eva Geulen sagte in ihrer Laudatio, Butler verkörpere den Typus einer neuen öffentlichen Intellektuellen: »nicht das hofierte Gewissen einer Nation, sondern kosmopolitisch, streitbar und umstritten«. Unsere Gesellschaft brauche diese »trouble makers«.

Butler selbst, die zuvor in mehreren Zeitungsbeiträgen die Kritik an ihrer Person zurückgewiesen hatte, befasste sich in ihrer Dankesrede mit dem berühmten Adorno-Verdikt, dass es »kein richtiges Leben im falschen« gebe. Sie erinnerte an die wechselseitige Abhängigkeit lebendiger Wesen und rief zum Protest gegen soziale Ungerechtigkeit auf.

abwesend Vertreter des Zentralrats der Juden und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt blieben der Preisverleihung fern. Auch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) fehlte. Er sei verreist, hatte sein Sprecher der Jüdischen Allgemeinen auf Anfrage mitgeteilt.

Der Theodor-W.-Adorno-Preis wird alle drei Jahre von der Stadt Frankfurt zum Gedenken an den Philosophen Theodor W. Adorno (1903–1969) vergeben. Er ist mit 50.000 Euro dotiert und dient der Förderung und Anerkennung hervorragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film. Traditionell wird der Preis am 11. September, dem Geburtstag Adornos, überreicht.

Beschneidungen

Polizei in Antwerpen durchsucht Wohnungen von Juden

Im Rahmen einer Razzia gegen angeblich illegaler Beschneidungen hat die Polizei in Antwerpen am Mittwochmorgen die Wohnungen von drei jüdischen Bewohnern durchsucht

 15.05.2025

Düsseldorf

NRW und Israel feiern ihre Völkerfreundschaft

Wüst und Prosor: Es müsse alles getan werden, damit alle so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen

 15.05.2025

USA

»Ben and Jerry’s«-Mitbegründer bei Gaza-Protest festgenommen

Ben Cohen ist bekannt für seine scharfe Kritik an Israel

 15.05.2025 Aktualisiert

Interview

»Es hätte viel kürzer und klarer sein müssen«

Peter Neumann über das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes, die internationale Debatte darüber und ein mögliches Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei

von Nils Kottmann  15.05.2025

Schleswig-Holstein

Drastischer Anstieg bei antisemitischen Vorfällen im Norden

Der Landesbeauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, verwies auf den Krieg in Gaza

 15.05.2025

Berlin

»So monströs die Verbrechen der Nazis, so gigantisch dein Wille, zu leben«

Leeor Engländer verabschiedet sich in einer berührenden Trauerrede von Margot Friedländer. Wir dokumentieren sie im Wortlaut

von Leeor Engländer  15.05.2025

Trauerfeier

Die unbeugsame Berlinerin

Nach dem Tod von Margot Friedländer trauert ganz Berlin um eine besondere Frau, die als Holocaust-Überlebende unermüdlich für Menschlichkeit eintrat. Bei ihrer Beisetzung nahmen hochrangige Gäste nun Abschied

von Sigrid Hoff  15.05.2025

Kommentar

Journalistisch falsch, menschlich widerlich

»News WG«, ein Format des Bayerischen Rundfunks, hat eine Umfrage darüber gestartet, ob man Yuval Raphael, eine Überlebende der Massaker des 7. Oktobers, vom ESC ausschließen soll

von Johannes Boie  15.05.2025

Berlin

Friedrich Merz: Deutschland muss Schutzraum für Juden sein

Auch bekräftigt der neue Kanzler: »Wir stehen unverbrüchlich an der Seite Israels.«

 15.05.2025