Am 9. August beging Belarus den ersten Jahrestag der gefälschten Präsidentschaftswahl, die eine überwältigende Protestwelle hervorgerufen hatte. Lukaschenko konnte zwar die Straßenproteste niederknüppeln und die Repressionen skrupellos vorantreiben, die andauernde Belarus-Krise hat sich jedoch eher zugespitzt und spätestens nach der Flugzeugentführung im Mai eine internationale Dimension bekommen.
Obwohl die Staatspropaganda Lukaschenko als Sieger feiert, fühlen sich dessen Anhänger weiterhin verunsichert. So liegen bei der Malerin Svetlana Zhigimont am Vorabend des ersten Jahrestages die Nerven blank.
hetze In sozialen Netzwerken greift sie »die Juden« an, die bei den Protesten eine wichtige Rolle gespielt haben sollen, nunmehr einen neuen »Brand« in Belarus entzünden und dann in »geschlossenen Reihen« in ihre »Heimat« Israel abhauen wollten. Die Hetze verbreitet sich im Netz, wobei manche von Lukaschenkos Sympathisanten die »mutige« Künstlerin preisen, während sich Regimegegner über die krude Verschwörungstheoretikerin lustig machen. Eine deutliche Kritik ist aber nicht zu vernehmen.
Der Fall Zhigimont ist keine Ausnahme. Antisemitismus wird von der belarussischen Diktatur längst als probates Propagandamittel verwendet, um die demokratische Opposition zu diffamieren: Ausländische Juden gelten als Hintermänner der Protestbewegung. Juden, die sich für den demokratischen Wandel einsetzen, werden verleumdet.
instrumentalisierung Das Regime schreckt nicht vor der Instrumentalisierung der Schoa zurück. Aufgrund seiner wiederholten antisemitischen Bemerkungen wird Lukaschenko vom Staat Israel kritisiert.
Als Sprachrohr der antisemitischen Kampagne fungiert die vom Präsidialamt herausgegebene Zeitung »SB. Belarus Segodnja«, die vor einigen Wochen etliche »Verräter« und »ausländische Agenten« in jüdischen Organisationen des Landes »entlarvte«, auf eine »Säuberung« in perfider stalinistischer Manier drängte und Judenhasserin Zhigimont hofiert. Antisemitismus ist in Belarus längst zur Normalität geworden.
Der Autor ist Historiker in Düsseldorf.