Eine aus zwei Demonstrationen bestehende Versammlung mit Tausenden Teilnehmern haben pro-palästinensische Gruppen in Berlin für Samstag angekündigt.
Ein Protestmarsch mit dem Titel »Demokratische Grundrechte verteidigen: Meinungsfreiheit auch für Palästinenser:innen« soll sich am frühen Nachmittag vom Neptunbrunnen am Roten Rathaus aus zum Brandenburger Tor bewegen. Dort ist dann eine Kundgebung namens »Solidarität mit den Opfern in Gaza« vorgesehen. Die beiden Versammlungen sollen offenbar zusammenfließen. Insgesamt 4000 Teilnehmer wurden angemeldet.
Neben der Gruppe »Palästina spricht« gehört die »Palästina Kampagne« zu den Organisatoren. Auch die sogenannte »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« ist mit von der Partie. Kurz nach der Hamas-Attacke vom 7. Oktober hatte diese Organisation Israel vorgeworfen, für ein »75-jähriges Kolonialregime« und eine Blockade des Gazastreifens verantwortlich zu sein, »die zu diesen Ereignissen geführt hat.« Letztere, nämlich die Ermordung von 1400 Israelis, darunter selbst Babys, erwähnte die Gruppierung nicht näher.
»Friedlich und legal«
Zu den Unterstützern der Demonstration am Samstag gehören auch der »Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband«, der Berliner Ableger der antisemitischen BDS-Bewegung und viele andere Gruppen.
Die Veranstalter kündigten eine »friedliche und legale Demonstration in Solidarität mit Palästina« an. »Seit dem 7. Oktober hat Israel mehr als 5000 Menschen im belagerten Gazastreifen getötet«, heißt es im offiziellen Aufruf. »In einer Woche warf Israel so viele Bomben auf Gaza ab, wie auf Afghanistan in einem ganzen Jahr geworfen wurden.«
Einen »Genozid« werfen die Organisatoren Israel vor. Die Polizei wird einer »Welle der Gewalt gegen Palästinenserinnen und ihre Unterstützerinnen« bezichtigt, bei der Hunderte von Menschen festgenommen worden seien. Diese Größenordnung deckt sich nicht mit den Angaben der Polizei. Auch sind die angegebenen Opferzahlen der Hamas nicht vertrauenswürdig. Hinzu kommt: Die palästinensische Terrorgruppe unterscheidet bei Opferzahlen nicht zwischen Terroristen und Zivilisten.
Neu bewertet
Israels Ziel ist die Zerschlagung der Terrororganisation Hamas. Schon vor Wochen rief die Armee die Bewohner des nördlichen Teils des Gazastreifens dazu auf, sich für ihre eigene Sicherheit in den Süden zu begeben. Dort sind inzwischen Hilfsgüter eingetroffen.
Schon aufgrund der Historie von früheren Demonstrationen und Aktionen der Organisatoren würde es nach Ansicht von Beobachtern an ein Wunder grenzen, wenn sie den Hamas-Terror - und damit die Ermordung von Israelis - bei der Demo am Samstag nicht zumindest verteidigen würden.
Dennoch wird die Versammlung »nach dem jetzigen Stand stattfinden«, wie Polizeisprecherin Patricia Brämer der Jüdischen Allgemeinen mitteilte. Sie erklärte, bei Protesten dieser Art würden jedes Mal Einzelfallentscheidungen getroffen. »Jede einzelne Kundgebung, jeder einzelne Aufzug wird immer wieder neu bewertet.«
Auflagen auf Deutsch und Arabisch
In diesem Fall wurde die Demonstration der Sprecherin zufolge mit Auflagen belegt, die den Teilnehmern gleich zu Beginn sowohl auf Deutsch als auch auf Arabisch mitgeteilt werden müssen. Im Fall von Zuwiderhandlungen werde die Polizei einschreiten.
Bei Großdemonstrationen mit Gewaltpotential wird die Berliner Polizei oft von der Bundespolizei sowie von Beamten aus anderen Bundesländern unterstützt. In diesem Fall ist bisher keine Hilfe dieser Art vorgesehen. Laut Patricia Brämer kann sich dies aber noch ändern.
Samuel Salzborn, der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, kommentierte den geplanten Aufmarsch: »Wir sehen in den letzten Wochen eine massive antisemitische Eskalation auf Berliner Straßen und zunehmend Gewalttätigkeiten gegen Polizeibeamte und Medienvertreter, gerade auch bei israelfeindlichen Versammlungen, die nicht angemeldet oder nicht verboten waren. Dies bestätigt nachhaltig die große Notwendigkeit von Verboten antisemitischer Versammlungen, von denen massive Hetze gegen Jüdinnen und Juden ausgeht«, sagte Salzborn dieser Zeitung.
Große Skepsis
»Die konkrete Bewertung der Gefährdungsprognose für Samstag liegt bei der Versammlungsbehörde. Nach den bisherigen Erfahrungen in den letzten Wochen ist aber zu erwarten, dass die für Samstag angemeldete Versammlung die antisemitische Eskalation weiter forcieren wird«, erklärte er.
Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, sagte, er blicke der Demonstration am Samstag mit großer Skepsis entgegen. »Ich würde mich sehr freuen, wenn es mal palästinensische Demos ohne Antisemitismus gäbe. Leider habe ich das bisher aber noch nie erlebt.«
Eine positive Entwicklung von heute sei positiv festzuhalten, sagte Königsberg: »Nämlich dass Hamas und Samidoun verboten wurden. Ich halte dies für ein wichtiges Zeichen.« Wie »Palästina spricht« hatte Samidoun in den vergangenen Jahren mehrfach Demonstrationen organisiert, auf denen Pro-Terror-Propaganda verbreitet wurde.