Nicht Berlin ist Vorreiter in Sachen Antisemitismusklausel, sondern Schleswig-Holstein. Dort werden bereits seit dem vergangenen Jahr keine Kulturprojekte gefördert, deren Macher davon absehen, sich im Sinne der Antisemitismusdefinition der IHRA gegen Judenhass auszusprechen. In einem Interview mit NDR Kultur nahm die Kieler Bildungsministerin Karin Prien dazu Stellung.
Unter Kulturschaffenden in Berlin herrscht immer dann Aufregung, wenn in ihrem Bereich Schritte gegen den Judenhass unternommen werden. Ein Jahr nach dem Bundestagsbeschluss zur antisemitischen BDS-Bewegung drückten sie in einem offenen Brief ihre »Sorge« aus, der Beschluss könne der Meinungsfreiheit schaden. Dabei ist Hass gar keine Meinung - auch nicht, wenn er sich gegen Juden oder Israel richtet.
Nun, da der Berliner Kultursenator Joe Chialo seine Klausel in Kraft setzte, unterschrieben Tausende »besorgte« Künstler einen weiteren offenen Brief - ganz als wäre die Maßnahme eine neue Erfindung. Schleswig-Holstein hat allerdings bereits seit dem 1. Juni 2023 eine entsprechende Regelung. Für eine Förderung dürfen Kulturprojekte im Norden weder rassistisch noch queerfeindlich oder antisemitisch sein.
Prien erstaunt über »Gesinnungsprüfungs«-Vorwürfe der Künstler
Gegenüber NDR Kultur erklärte Karin Prien, in ihrem Bundesland sei das Thema Judenhass »nicht erst seit dem 7. Oktober auf der Tagesordnung«. Vielmehr handle es sich um ein Problem, das sich in den vergangenen Jahren verschärft habe, so die jüdische Kulturministerin.
Zur Ansicht vieler Künstler, der zufolge mit der Klausel eine Gesinnungsprüfung eingeführt werde, sagte Prien: »Ich bin ein bisschen erstaunt darüber, dass es häufig die gleichen Menschen sind, die sich in anderen Kontexten sehr schnell darauf berufen, dass etwa Identitäten bestimmter Gruppen verletzt werden. Sei es nur durch Verwendung einer bestimmten Sprache oder bestimmter Ausdrücke. Beim Thema Antisemitismus haben sie plötzlich eine sehr dicke Haut.«
Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit bedeuteten nicht, dass man die Rechte, insbesondere die Grundrechte, anderer verletzen dürfe. »Hier ist eine Grundrechtsabwägung erforderlich. Volksverhetzung ist ohnehin eine Grenze und aus meiner Sicht ist auch der Antisemitismus eine Grenze, die einzuhalten ist«, so Karin Prien in dem NDR-Interview. im