Medien

Presseschau zur Situation in Österreich: »Kickl ist ideologisch näher bei Höcke als bei Weidel«

Foto: picture alliance / dts-Agentur

»De Volkskrant« (Amsterdam)

»Herbert Kickl hatte einst für den FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider und die Partei antiislamische und ausländerfeindliche Losungen wie »Daham statt Islam« oder »Mehr Mut für Wiener Blut - Zu viel Fremdes tut niemandem gut« entwickelt. Seine Slogans erwiesen sich als wirkungsvoll. Im Parlament entpuppte sich Kickl als aggressiver Provokateur mit einer populistischen Agenda. (…)

Die FPÖ warb für die Kanzlerschaft Kickls mit dem Begriff »Volkskanzler«. Eine Bezeichnung, mit der sich in den 1930er Jahren Adolf Hitler beschrieben hatte. Dass über dieses seinerzeit von Joseph Goebbels geprägte »Nazi-Wort« ein kleiner Mediensturm entbrannte, kam der FPÖ gelegen. Je mehr Aufmerksam in den Medien, desto besser, meint Kickl. (…)

Für Aufsehen sorgte er auch mit seiner Aussage, dass »das Recht der Politik folgen sollte und nicht die Politik dem Recht«. Er will, dass die Medien weniger kritisch gegenüber seiner FPÖ sind, die er selbst mit einer weiteren Anspielung auf den Nationalsozialismus als »soziale Heimatpartei« bezeichnet.«

»Südwest Presse« (Ulm)

Nein, trotz dieser Parallelen ist Deutschland nicht Österreich und die AfD steht nicht kurz vor der Kanzlerschaft. Die Meinungsforscher von Infratest dimap sehen das Wählerpotenzial der AfD auf ihrem aktuellen Stand um die 20 Prozent bundesweit »relativ weit ausgeschöpft«. Im Gegensatz zu ihren Pendants in Österreich werden die etablierten deutschen Parteien noch eine Chance bekommen, um der Bevölkerung zu zeigen, dass notwendige und weitreichende Veränderungen erreicht werden können, ohne dass die Wähler eine Lösung an den extremen Rändern suchen. Zum Wohle des Landes werden sie diese Gelegenheit hoffentlich nutzen, es könnte die letzte sein. Was die AfD von der FPÖ lernen kann, könnte sie noch gefährlicher machen. Kickl ist ideologisch näher bei Björn Höcke als bei Alice Weidel.

»ABC« (Madrid)

»Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen. (…) Die politische Brandmauer ist in Österreich eingestürzt. Ausgerechnet ihre Hauptbefürworter – die Parteien des Mitte-Links-Spektrums – tragen dafür die Verantwortung. Nun stellt sich die Frage, ob es in Österreich die extreme Rechte stärkt oder schwächt, sie von den Institutionen fernzuhalten. Gleichzeitig gilt es herauszufinden, ob die wahre Gefahr für die liberale Demokratie in der politischen Ausrichtung der Regierenden liegt - oder vielmehr im Umgang mit den bestehenden Regeln sowie in der Unabhängigkeit der anderen Institutionen.«

»Handelsblatt« (Düsseldorf)

Der Erfolg des FPÖ-Manns Kickl beruht auch darauf, dass er immer auf die schlechte Bilanz der österreichischen Regierung verweisen konnte. Genauso wie die AfD dies bei der deutschen Ampelkoalition getan und damit die Stimmung im Land getroffen hat: Die Ampel war aus Sicht der Bundesbürger die schlechteste Regierung aller Zeiten. Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an die nächste Bundesregierung: Die Parteien müssen sich zusammenraufen und die drängendsten Probleme des Landes lösen. Besonders sorgen sich die Bürgerinnen und Bürger um die wirtschaftliche Entwicklung.

»NZZ« (Zürich)

»Nun ist also wahrscheinlich, was (fast) alle politischen Akteure verhindern wollten: dass Herbert Kickl bald die Geschicke des Landes führt. Für Österreich wären Rechtsnationalisten in der Regierungsverantwortung zwar keine Zäsur mehr. Anders als etwa in Deutschland gibt es in dem Land keinen Reflex, Brandmauern gegen rechts zu errichten. Einen FPÖ-Kanzler gab es allerdings noch nie.

Gerade Kickl empfiehlt sich bis anhin nicht für politische Experimente. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die an Regierungskoalitionen beteiligt waren, gilt der 56-Jährige als knallharter Ideologe. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er die illiberalen Ideen von Viktor Orbán als Inspiration sieht und sein Land weg von der EU und ihren »Zwängen« führen will, mehr Nähe zu Russland wäre in seinen Augen kein Problem. (…)

Für Österreich sind das keine guten Aussichten. Aber noch ist Kickl nicht im Kanzleramt. Will er bald dorthin, braucht er einen Partner – und muss zwangsläufig Kompromisse machen. Inhaltliche Überschneidungen zwischen den beiden Parteien – etwa in der Sicherheits- und Migrationspolitik – gibt es zwar schon lange. Doch Kickl hat sich in vielen Positionen radikalisiert. Die Verantwortung, ihn zu zügeln, liegt nun bei der ÖVP.«

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»Heilbronner Stimme« (Heilbronn)

In Österreich wird man nun den von allen Kontrahenten bislang strikt abgelehnten FPÖ-Chef Kickl hofieren. Und zwar aus einem einfachen Grund: Weil die anderen Parteien nicht mehr miteinander können. Genau das sollte auch den deutschen Parteiverantwortlichen zu denken geben. Denn für solch einen Pakt bezahlt man einen hohen Preis: Die FPÖ steht hinter ihrer lächelnden Fassade für Ausgrenzung, Hass, Häme und ein extremes Freund-Feind-Bild.

Aber was zählen schon Grundrechte, EU-Mitgliedschaft, Meinungsfreiheit und Menschenrechte, wenn es um situationselastische Polit-Programmatik geht. Österreich ist der nächste fallende Mosaikstein auf einem europäischen Weg, der erschreckend ist.

»Frankfurter Rundschau« (Frankfurt)

Mehr als 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben nicht die äußerst rechte FPÖ von Herbert Kickl gewählt. Und nun erhält dieser Politiker den Auftrag zur Regierungsbildung. Ein »Volkskanzler« Herbert Kickl, wie er sich selbst im NS-Jargon bezeichnet, ist greifbar nah. Die konservative ÖVP ist am Sonntag komplett umgefallen und bereit, unter ihm als Juniorpartner in eine Koalition einzusteigen.

Alle Parteien haben ihn zu Recht lange ausgegrenzt. Denn er lässt keine Zweifel daran, dass er die Demokratie in Österreich, wie sie jetzt ist, aushebeln und das Land in eine wie auch immer geartete Form von zumindest autoritärerem Staat umwandeln will. Dem bedauernswerten Bundespräsidenten Van der Bellen blieb am Montag nicht viel anderes übrig, als Kickl zu beauftragen. Immer wieder wird gesagt: Lasst die Rechten doch mal machen. Sie werden sich schon selbst entzaubern, sich in die Demokratische einfügen. Ein solches Experiment ist aber hochgefährlich.

»La Stampa« (Rom)

»Die Brandmauer, der berühmte Widerstand gegen die Rechten, hat in Österreich nicht gehalten, wenn sie überhaupt jemals Bestand hatte. Und die Strategien, Kickl von der Regierung fernzuhalten, haben nicht nur ihre ganze Zerbrechlichkeit offenbart, sondern auch deutlich gemacht, dass es überhaupt keine politische Vision für eine Zukunft ohne die Rechten gibt.

Die nahe Gegenwart wird zeigen, ob die Zweifel und Unsicherheiten berechtigt sind, dass wir mit einem pro-russischen Österreich rechnen müssen, mit einer »Remigrations«-Politik, die im Gegensatz zu der des übrigen Europas steht, mit Vorschlägen, die von Klimaleugnung und Fremdenfeindlichkeit geprägt sind sowie durch die Einschränkung der Rechte von Minderheiten. (…) Die Möglichkeit, dass sich das österreichische Szenario nach den Februar-Wahlen in Deutschland wiederholt, ist nicht auszuschließen.«

»t-online« (Köln)

Sollte es zu einer Koalition kommen, wird Österreich nun deutlich nach rechts rücken. Darüber freuen sich in der westlichen Hemisphäre vor allem die politischen Akteure, die für mehr nationalen Protektionismus eintreten und die sich international immer besser vernetzen. Das Umfeld des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, der Rassemblement National in Frankreich, die AfD in Deutschland oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sind dafür nur einige Beispiele. (…)

Diese Gefahr müssen die Parteien der demokratischen Mitte weltweit ernst nehmen, in Österreich hat genau das nicht funktioniert. Aber auch der Bevölkerung in Deutschland zeigt das politische Beben in Österreich, was passieren kann, wenn man eine Partei aus Protest wählt: Sie kann tatsächlich Regierungsverantwortung übernehmen. So wird dort nun höchstwahrscheinlich ein radikaler FPÖ-Politiker Bundeskanzler werden. Es droht ein böses Erwachen.

»Nepszava« (Budapest)

»Das Jahr 2025 hätte aus Sicht der Europäischen Union nicht schlechter beginnen können. In Österreich scheiterten die Koalitionsverhandlungen zwischen der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), den Sozialdemokraten und den liberalen Neos. Das bedeutet jedoch, dass die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) an die Macht gelangt, indem sie in eine Koalition mit der ÖVP geht.

Damit wird einer der am meisten extremistischen Politiker Europas, Herbert Kickl, österreichischer Bundeskanzler. Seine Partei ist im Europaparlament Bündnispartner der Fidesz (der ungarischen Regierungspartei von Viktor Orban). (…) Eine Zukunft, in der Österreich einen Bundeskanzler hat, der offen prorussische Ansichten äußert, stimmt nicht zuversichtlich. Und Donald Trump hat noch gar nicht sein Amt angetreten. Besser, man denkt erst gar nicht daran, was die Zukunft noch so bringt.«

»Rhein-Zeitung« (Koblenz)

Der Blick aufs Nachbarland zeigt: Wer allein auf Brandmauern setzt, ohne gleichzeitig die Wähler von der eigenen Politik überzeugen zu können, wird den Aufstieg von Rechtsaußenparteien nicht verhindern. Deutsche Parteien sollten daraus lernen.

Zusammengestellt von dpa/ja

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