Als Polens Staatspräsident Lech Kaczynski vor fünf Jahren starb, schrieb diese Zeitung, die »jüdische Welt« betrauere den »Tod eines Versöhners«. Nun, da Kaczynskis Partei unter der Führung seines Zwillingsbruders Jaroslaw die Wahlen gewonnen hat, erscheinen allenthalben Artikel über den Antisemitismus der neuen Regierung. Zu Recht?
Lech Kaczynski besuchte als erster polnischer Staatspräsident eine Synagoge. In seiner Amtszeit wurde der Grundstein für das Jüdische Museum in Warschau gelegt. Mehrfach entschuldigte er sich für die von Polen begangenen Verbrechen an Juden. Er begrüßte das neue jüdische Leben in Polen und intensivierte die Beziehungen zu Israel. Antisemiten sehen anders aus.
kommunisten Etwa wie die Kommunisten, die nach dem Sechstagekrieg 1967 und den Unruhen von 1968 eine Hetzkampagne gegen die »zionistische fünfte Kolonne« starteten, die viele Juden in die Emigration trieb. Heute werden im Zusammenhang mit dem Antisemitismus die katholische Kirche und Kaczynskis Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) genannt, nicht aber das Erbe kommunistischer Propaganda. Die Belege für den Antisemitismus der PiS sind auch recht dünn.
Verteidigungsminister Antoni Macierewicz zitierte vor Jahren in einem Interview – von dem er sich inzwischen distanziert hat – zustimmend die Protokolle der Weisen von Zion. Im Zusammenhang mit der Absicht der Regierung, ausländische Investoren aus den Privatmedien zu drängen, wird auch im PiS-Umfeld über den »jüdischen Einfluss« geraunt. Jedoch sind die meisten Investoren Deutsche, etwa Axel Springer. (Dem freilich auch hierzulande von Links und Rechts vorgeworfen wird, zu israelfreundlich zu sein.) Polens »Antisemiten glauben, dass die neue Regierung sie unterstützen wird«, sagte der Oberrabbiner Michael Schudrich der »Jerusalem Post«. Er sei jedoch »überzeugt, dass das nicht der Fall ist«.
Skepsis Man sollte auf ihn hören. Die neue Regierung ist zwar nationalistisch, fremdenfeindlich und europaskeptisch. Sie bedient polnische Ängste gegen die großen Nachbarn Deutschland und Russland. Diese sind allerdings nicht völlig unbegründet. Deutschlands Gasgeschäfte mit Russland über die Köpfe der Polen und Ukrainer hinweg stoßen nicht nur in der PiS auf Unverständnis. Berlin und Brüssel müssen zeigen, dass polnische Sorgen und Interessen ernst genommen werden. Das ist das beste Mittel gegen antideutsche, antieuropäische und antisemitische Stimmungen im Land.
Der Autor ist Publizist und Kolumnist der »Welt«-Gruppe.