Wegen ihres sperrigen Namens wird die »Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz« von fast allen nur »Limbach-Kommission« genannt. Jutta Limbach, Berliner Justizsenatorin, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und später Chefin des Goethe-Instituts, führte bis zu ihrem Tod 2016 den Vorsitz dieses Gremiums.
Heute wird die Limbach-Kommission von ihrem Nachfolger beim Karlsruher Gericht, Hans-Jürgen Papier, geleitet. Seit 2003 gibt es das Gremium, und genauso lange wird über seine Arbeit gestritten. Das liegt auch daran, dass es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Aspekten von NS-Unrecht bis heute keine besonderen gesetzlichen Regelungen für die Rückgabe von Raubkunst gibt.
Verjährung Rechtlich sind alle Ansprüche auf Restitution von Artefakten, die im sogenannten Dritten Reich Juden gestohlen oder abgepresst wurden, verjährt. Niemand, der im Besitz von NS-Raubkunst ist, kann momentan zu einer Herausgabe gezwungen werden. 1998 kamen zahlreiche Länder bei einer Konferenz in Washington überein, trotzdem weiter nach »fairen und gerechten Lösungen« für die Opfer des Nazi-Kunstraubs zu suchen und gestohlene Werke zurückzugeben – auf freiwilliger Basis.
Im Zuge des Funds der Gurlitt-Sammlung vor zehn Jahren rückte das Thema Raubkunst erneut in den Mittelpunkt der politischen Debatte. Vor allem die staatlichen Museen gerieten unter Druck und unternahmen größere Anstrengungen, ihre Sammlungen zu durchforsten. Doch nur sehr wenige Werke wurden am Ende tatsächlich an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert.
Im Zuge des Funds der Gurlitt-Sammlung vor zehn Jahren rückte das Thema Raubkunst erneut in den Mittelpunkt der politischen Debatte.
Einen Grund dafür sehen Kritiker in der Limbach-Kommission. »Das Problem ist: Das ganze System geht zurzeit zulasten der Opferfamilien. Der Rechtsweg ist wegen Verjährung und Ersitzung aussichtslos. Die Beratende Kommission kann zum Beispiel nur bei Zustimmung beider Seiten tätig werden. Sie kann nur mit Zweidrittelmehrheit die Rückgabe eines Werks unverbindlich empfehlen«, kritisiert Rüdiger Mahlo von der Jewish Claims Conference.
Opferperspektive Zwar hat mittlerweile auch die Limbach-Kommission einen jüdischen Vertreter, der die Opferperspektive in die Beratungen einbringt. Aber lange Zeit hatte sich die Politik genau dagegen gesträubt. Man befürchtete eine »Voreingenommenheit«.
Rüdiger Mahlo verweist auch auf die hohe Zahl der Fälle, die noch geprüft werden müssten. »Allein in der Datenbank Lost Art sind knapp 75.000 ungeklärte Fälle von möglichem NS-Raubgut gelistet. Momentan gibt es keine rechtliche Handhabe, die es den Eigentümern erlauben würde, ihren gestohlenen Besitz wiederzubekommen. Die Washingtoner Prinzipien von 1998 wurden in Deutschland in Form einer Handreichung an die öffentlichen Museen umgesetzt.«
Da ihre Schlichtersprüche keine Rechtskraft entfalten und sich viele deutsche Museen schlicht weigern, die Limbach-Kommission einzuschalten, hat diese in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens gerade einmal 23 Empfehlungen herausgegeben. Immerhin, sagt ihr amtierender Vorsitzender Papier, seien die auf eine große Resonanz in der Fachwelt gestoßen.
Nur wenige Werke wurden tatsächlich an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben.
Dennoch ist sich auch Papier bewusst, dass noch mehr getan werden muss, um die »letzten Gefangenen des Zweiten Weltkriegs«, wie der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, die geraubten Kunstwerke einmal genannt hat, endlich den rechtmäßigen Erben der NS-Opfer zurückzugeben.
Dass sein Gremium nur tätig werden könne, wenn beide Parteien dem zustimmten, nennt Papier im Interview mit dem »Spiegel« offen »eine der gravierendsten Fehlkonstruktionen im System«. Man brauche deshalb »unbedingt eine gesetzliche Grundlage« zum Umgang mit Raubkunst.
Er wolle die Politik beim Festabend zum 20. Jahrestag der Gründung der Limbach-Kommission am 14. September an »die Pflichten dieses Landes« im Umgang mit der Nazi-Vergangenheit erinnern, sagte Papier – und schob eine Kritik an der Bundesregierung nach: In deren Koalitionsvertrag gebe es dazu »bloße Gedankensplitter, die zum Teil auch noch in einem peinlichen Widerspruch zueinander stehen«.
Kulturministerin Die Ampelkoalition hatte sich 2021 darauf verständigt, die Restitution von NS-Raubkunst dadurch zu verbessern, dass »wir einen Auskunftsanspruch normieren, die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausschließen, einen zentralen Gerichtsstand anstreben und die ›Beratende Kommission‹ stärken«. Große Fortschritte sind bislang aber ausgeblieben.
Für Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat der Jurist Papier daher einen Rat: Seine Kommission könne man zu einer Bundesbehörde umwandeln. Diese würde dann per Verwaltungsakt entscheiden, ob ein Antrag auf Restitution eines Kunstwerks direkt an die ordentlichen Gerichte verwiesen oder die Beratende Kommission als »obligatorisches Schiedsgericht« vorgeschaltet werde.
Für den Repräsentanten der Jewish Claims Conference in Deutschland gehen die Vorschläge in die richtige Richtung. »Das System, das wir bislang haben, eignet sich nicht, eine größere Zahl von Restitutionsfällen zu bearbeiten. Deshalb begrüßen wir die Reformvorschläge ausdrücklich. Wir brauchen dringend eine gesetzliche Regelung, die die Position der Opferfamilien stärkt«, so Rüdiger Mahlo. Ein Vorbild könnte Österreich sein: Dort gibt es seit einigen Jahren ein Restitutionsgesetz.