Interview

»Organspende ist eine Mizwa«

Herr Rabbiner, Israel will das Organspendegesetz neu regeln. Konkret soll jeder Führerscheinbesitzer als potenzieller Spender gelten, wenn er nicht ausdrücklich widersprochen hat. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben?
Im Judentum ist menschliches Leben heilig, wir müssen alles für dessen Erhalt tun. Wenn nun durch die Widerspruchsregelung ein Verstorbener zum Spender wird, sofern er einer Organentnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat, fördert dies die Rettung von Leben. Insofern ist der Entschluss der Gesundheitsministerin Yael German sehr vernünftig und im Sinne der Halacha.

Ist die zutiefst private Frage, ob ein Mensch seine Organe nach dem Tod spenden will, wirklich ein Thema, das ein Parlament regeln sollte?
Es ist zumutbar und richtig, dass sich jeder Mensch einmal in seinem Leben bewusst mit dieser Frage beschäftigt. Jedes Jahr sterben so viele Menschen, bloß weil sie kein Spenderorgan erhalten haben. Wenn durch ein neues Gesetz Leben gerettet werden kann, sollte die Politik alles für seine rasche Umsetzung tun. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Organspende im Judentum nicht nur erlaubt, sondern auch eine Mizwa ist. Welches andere Gebot könnte ein Toter sonst noch erfüllen?

Dennoch haben viele Juden große Vorbehalte gegen die Organspende. Können Sie das nachvollziehen?
Absolut. Sie befürchten, dass ihnen lebenserhaltende Maßnahmen vorenthalten werden, wenn sie als Spender registriert sind. Aber diese Angst ist unbegründet. Die ärztliche Ethik verbietet einen solchen Missbrauch. Durch strikte Kontrollen wird dieser Missbrauch zudem von vornherein ausgeschlossen. Eine andere Angst geht auf die Halacha zurück. Ihr ist ungleich schwerer zu begegnen.

Welche Angst meinen Sie?
Viele glauben immer noch, dass ein Toter im Judentum unversehrt begraben werden muss. Andernfalls werde seine Auferstehung am Ende aller Tage unmöglich. Das stimmt aber nicht und entbehrt jeder Grundlage. Es entzieht sich unserer Kenntnis, wie wir wieder zum Leben erwachen, wenn der Messias kommt. Es ist wie gesagt eine Mizwa, Leben zu retten. Und Organspende rettet Leben. Der Sachverhalt ist eindeutig.

Umstritten ist nach wie vor die Frage, ab wann ein Mensch als tot gilt. Unterscheidet sich hier die medizinische von der halachischen Definition?
In diesem Punkt gibt es in der Tat unterschiedliche Meinungen. In der Medizin gilt ein Mensch als tot, wenn sein Hirntod festgestellt wird. Im jüdischen Denken hingegen ist ein Mensch tot, wenn sein Herz nicht mehr schlägt. Viele Orthodoxe sind deshalb gegen eine Organentnahme bei Hirntoten. In meinen Augen als Rabbiner und Naturwissenschaftler gibt es jedoch nur ein Kriterium: Wer hirntot ist, bleibt bis zum Erscheinen des Messias irreversibel tot. Bisher ist noch kein Hirntoter wieder zum Leben erwacht.

Mit dem Rabbiner und Medizinethiker sprach Philipp Peyman Engel.

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 17.11.2025

Auszeichnung

»Fair auf Israel blicken, ohne Schaum vor dem Mund«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat den Augsburger Friedenspreis erhalten. In seiner Dankesrede warb er für einen unvoreingenommenen Blick auf den jüdischen Staat

 17.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  17.11.2025

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

USA

Kehrtwende? Trump empfiehlt Abstimmung über Epstein-Akten

Der Fall des Sexualstraftäters lässt den US-Präsidenten nicht los. Vor einer Abstimmung im Repräsentantenhaus gibt er einen überraschenden Rat an seine Partei

von Anna Ringle  17.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025