Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ist berühmt und berüchtigt: In autokratischer Manier kontrolliert er die Medien des Landes, schürt Hass auf Minderheiten und schafft zunehmend die Gewaltenteilung ab. Schritt für Schritt drängt Orbán die Demokratie in Ungarn zurück. Offen und unverschämt flirten er und seine Partei Fidesz mit den Judenhassern von Jobbik.
Dieser schlimmen Geschichte hat Orbán nun ein Kapitel hinzugefügt, das an Zynismus nicht zu überbieten ist. Aus Anlass des 70. Jahrestags der Ermordung der ungarischen Juden hat Orbán 2014 zum Holocaustgedenkjahr ausrufen lassen. Mit einer neuen Erinnerungsstätte in Budapest will die Regierung die Schoa-Opfer würdigen. Im ganzen Land sollen zudem verschiedene Projekte die Erinnerungskultur fördern.
Versuch Im ersten Moment scheint es, als würde der Rechtspopulist Orbán endlich einen neuen Kurs einschlagen. Doch davon kann keine Rede sein. Es ist bloß der durchsichtige Versuch, das negative Image Ungarns im Ausland zu verbessern. Denn Orbán ist sich bewusst: Nach innen kommt seine autoritäre Politik gut an. Nach außen aber hat sich das Land vom Westen weit entfernt. Wirtschaftlich gesehen steht Ungarn mit dem Rücken zur Wand.
Angesichts dieser Situation kam der Regierung die Idee eines Schoa-Gedenkjahres gerade recht. Mit der gezielten PR-Aktion will Orbán aus der Schmuddelecke herauskommen – und macht so die Schoa-Opfer ein zweites Mal zu Opfern. Er betreibt Leichenfledderei. Die jüdischen Gemeinden im Land sind zu Recht skeptisch.
Solange in Ungarn Statuen des ehemaligen Reichsverwesers Miklós Horthy stehen, bleibe auch ich skeptisch. Solange Nazi-Autoren in Schulbüchern verehrt werden, nenne ich unsere Regierung eine Schande. Solange sie diese Politik der gespaltenen Zunge betreibt, kann ich ihr für das Gedenkjahr keine guten Motive unterstellen. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren – Hoffnungen in diese Richtung habe ich keine.