Radsport

»Ohne jegliches Gespür für die Geschichte«

Bei der »Deutschland Tour« 2019 Foto: imago images/Mario Stiehl

Das Straßen-Radrennen »Deutschland Tour« sorgt wegen der Streckenführung durch die KZ-Gedenkstätte Buchenwald für Empörung. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) forderte am Mittwoch eine Verlegung des Tourabschnitts am Ettersberg bei Weimar.

»Die Route des Radrennens muss geändert werden«, erklärte Maier auf Twitter: »Die ›Blutstraße‹ ist kein Ort für eine Sportveranstaltung.« Auch der Zentralrat der Juden und die Gedenkstätte kritisierten die Verantwortlichen scharf.

veranstalter Der Veranstalter betonte, die »Deutschland Tour« führe über öffentliche Straßen. Die Strecke sei vor mehr als einem Jahr geplant und behördlich besprochen worden, sagte ein Sprecher der »Deutschland Tour«. Die Tour präsentiere »die natürliche, kulturelle und historische Vielfalt der Republik«. Dass die Strecke in diesem Jahr an der Gedenkstätte vorbeiführe, entspreche diesem Anspruch.

Das Thüringer Wirtschaftsministerium erklärte, die Streckenplanung liege beim Veranstalter. Das Ministerium bedauere, dass nicht früher direkte Gespräche geführt worden seien.

 »Das Event geht über die Blutstraße vorbei an Massengräbern und Mahnmal«, zitiert »Bild« (Online, Mittwoch) Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner. Die Zeitung hatte zuerst über den Fall berichtet. Die Gedenkstätte sei nicht in die Planungen einbezogen worden.

zentralrat »Bei der Planung der Strecke haben sowohl Verantwortliche der Stadt Weimar als auch der Veranstalter jegliches Gespür für die Geschichte vermissen lassen«, zitiert »Bild« den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Eine Radtour dort entlang zu führen, sei pietätlos gegenüber den Opfern.

Gedenkstättensprecher Rikola-Gunnar Lüttgenau sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch, die Gedenkstätte habe erst im Juli von der Streckenplanung erfahren, als die Anrainer darüber informiert wurden, dass die Straße für den Besucherverkehr gesperrt werde. Einer Bitte um Verlegung der Strecke sei der Veranstalter nicht nachgekommen. Die zunächst auf dem Parkplatz der Gedenkstätte geplante Bergwertung sei jedoch an einen anderen Ort verlegt worden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Das Radrennen soll vom 26. bis 29. August von Stralsund nach Nürnberg, die zweite Etappe über Weimar führen. Die Gedenkstätte Buchenwald liegt auf dem Ettersberg bei Weimar. Dort ließ die SS ab 1937 ein Konzentrationslager errichten. Bis zur Befreiung 1945 waren im KZ Buchenwald und seinen 139 Außenlagern insgesamt knapp 280.000 Menschen inhaftiert. Mehr als 56.000 Menschen starben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung oder wurden ermordet.

auseinandersetzung Es könne durchaus angemessene Formen der Auseinandersetzung mit der Geschichte von Buchenwald auch im Rahmen sportlicher Veranstaltungen vor Ort geben, sagte Lüttgenau dem epd. Dazu müssten jedoch vorher Gespräche geführt werden, betonte der Sprecher der Gedenkstätte: »Das hat nicht stattgefunden.«

Die Geschichte des Konzentrationslagers habe auch Bezüge zum Radsport. Ein internationales Deutschland-Radrennen habe im Jahr der Errichtung des Konzentrationslagers 1937 auch durch Weimar geführt, berichtete Lüttgenau. Im KZ Buchenwald seien unter anderem belgische und französische Radprofis inhaftiert gewesen und zum Teil ums Leben gekommen. Besonders tragisch sei der Fall eines belgischen Radprofis, der bei der Befreiung nur noch 35 Kilogramm gewogen habe und kurz darauf in Belgien gestorben sei.

All dies sei bei der bisherigen Planung nicht in Betracht gezogen worden, sagte Lüttgenau. Die Gedenkstätte werde nun selbst recherchierte Beiträge zum Thema auf ihren Kanälen veröffentlichen. Mit dem Tour-Veranstalter sei vereinbart, diese dann auch auf dessen Kanälen weiterzuverbreiten. Inzwischen gebe es »recht konstruktive Gespräche«, twitterte die Gedenkstätte am Mittwoch.

Meinung

Die Schweizer Sozialdemokraten und ihr radikaler Mittelweg

Die SP versteckt sich hinter widersprüchlichen und israelkritischen Resolutionen

von Nicole Dreyfus  29.10.2024

Libanon

Acht UN-Soldaten bei Raketenbeschuss leicht verletzt

Die UN schreiben den Angriff der Hisbollah zu

 29.10.2024

Berlin

Studentin für israelfeindliche Flugblätter verurteilt

Die Studentin wurde zudem des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte für schuldig gesprochen

 29.10.2024

Meinung

Djamshid Sharmahd hätte gerettet werden können

Warum die Bundesregierung eine Mitverantwortung für den Tod des Oppositionellen trägt

von Saba Farzan  29.10.2024

Geiseln

Netanjahu dementiert Vorschlag für Geisel-Abkommen

Ein ägyptischer Vorschlag für einen Geiseldeal existiert wohl doch nicht

 29.10.2024

Berlin

Klein: Antisemitismus an Schulen und im Internet bekämpfen

Klein und Friedman kritisierten mangelnde Anteilnahme in Deutschland mit dem Leid der Opfer des Terroranschlags

 29.10.2024

Antisemitismus

Publizist Friedman: Worte Erdogans sorgen für Judenhass-Anstieg

Für Michel Friedman ist der türkische Präsident mitverantwortlich für wachsenden Antisemitismus

 29.10.2024

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Anklage wegen Anschlagsplänen auf Synagoge in Heidelberg

Zwei junge Männer tauschen sich in Chats über mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Heidelberg und Frankfurt am Main aus

 29.10.2024

Hannover

Erneut Vandalismus an NS-Gedenkstätte Ahlem

Unbekannte haben am Sonntagabend mehrere Tafeln an der sogenannten »Wand der Namen« beschädigt oder ganz herausgerissen

 29.10.2024