Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) setzt die Verleihung ihres Menschenrechtspreises an den Women’s March USA aus. Zuvor hatten der stipendiatische Arbeitskreis »Kritik des Antisemitismus und Jüdische Studien« der FES sowie aktuelle und ehemalige Stipendiaten der Stiftung gefordert, die Preisvergabe zurückzunehmen.
Die Organisatoren des Women’s March seien »wiederholt durch antisemitische Äußerungen, die Bagatellisierung von Antisemitismus, den Ausschluss von Juden und Jüdinnen* und Zionist*innen aufgefallen«, hieß es in einem Offenen Brief.
Der Women’s March wurde nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 initiiert, nach Donald Trumps Amtseinführung fanden zahlreiche Großdemonstrationen für Frauenrechte statt.
EXISTENZRECHT »Wir wollen antisemitischen Tendenzen etwas entgegenstellen. Dabei geht es uns um jeden Antisemitismus, also auch wenn er in feministischen Kontexten auftaucht. Eine Organisation, deren Vorstandsmitglieder Feminismus fördern, aber Juden und Jüdinnen, Zionisten und Zionistinnen diskriminieren und Israel das Existenzrecht abspricht, sollte nicht von einer sozialdemokratischen Stiftung ausgezeichnet werden«, sagte die FES-Promotionsstipendiatin Pia Lamberty der Jüdischen Allgemeinen.
»Wir setzen uns für Feminismus ein, aber der Preis dafür kann nicht sein, Antisemitismus zu billigen. Deswegen sind wir gegen diese Preisverleihung«, ergänzte Lea Reichel, ehemalige Stipendiatin der Stiftung.
»Wir können aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht mit Sicherheit beurteilen, ob die erhobenen Vorwürfe gegen einzelne Mitglieder der Führung der Organisation zutreffen und so schwer wiegen, dass hierdurch eine Organisation mit mehreren Millionen Anhängern hierfür in Mithaft genommen werden kann. Auch liegt uns daran, den Preisträgerinnen die faire Möglichkeit einzuräumen, sich angemessen zu den Vorwürfen zu äußern«, sagte eine Sprecherin der Stiftung zur Jüdischen Allgemeinen.
»Nach sorgfältiger Überlegung haben wir deshalb entschieden, die Preisverleihung zunächst auszusetzen und den Sachverhalt von unabhängiger Seite untersuchen zu lassen«, hieß es weiter. Die Autoren des Offenes Briefs hätten ein Gesprächsangebot vonseiten der Stiftung zuvor mehrfach abgelehnt.
BDS Insbesondere Linda Sarsour, Vorstandsmitglied und frühere Präsidentin des Women’s March, wird in dem Offenen Brief kritisiert. Dieser zitiert Aussagen Sarsours, dass Feministinnen keine Zionistinnen sein könnten und dass Zionisten Nazis seien. Zudem bezeichnete sich Sarsour als »sehr überzeugte Anhängerin« der antiisraelischen Boykottbewegung BDS.
Sarsour wirft Israel »Apartheid« vor und verbreitet antisemitische Verschwörungsfantasien: Wenn Polizisten in den USA unbewaffnete Schwarze erschießen, würden im Hintergrund »jüdische Verantwortliche lauern«, behauptete sie.
Auch das Women’s March-Vorstandsmitglied Carmen Perez sowie die Co-Vorsitzende Tamika D. Mallory, die den Menschenrechtspreis der FES entgegennehmen sollte, werden von den Stipendiaten kritisiert, da sie »durch eine teils langjährige Unterstützung des notorischen Antisemiten Louis Farrakhan aufgefallen« seien. Mallory hätte sich trotz mehrfacher Aufforderungen geweigert, sich von antisemitischen und transfeindlichen Aussagen Farrakhans zu distanzieren. Farrakhan führt die religiös-politische Bewegung »Nation of Islam« an.
GEFAHR Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, übt ebenfalls Kritik an der Ebert-Stiftung. »Es ist beim besten Willen nicht nachzuvollziehen, dass die jetzt bekannt gewordenen Berichte über den offenen Antisemitismus in dieser Feministinnen-Organisation den Verantwortlichen der FES nicht bekannt waren«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen.
»Es besteht die große Gefahr, dass durch den FES-Preis der belegbare offen propagierte Antisemitismus innerhalb der Women’s March USA legitimiert und de facto regelrecht belohnt wird«, so Robbe weiter.
Christian Lange, SPD-Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, forderte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass »jede Form des Antisemitismus abgelehnt und bekämpft« werden müsse. »Dazu zählt selbstverständlich auch die BDS-Bewegung. ›Kauft nicht bei Juden‹ –›Boykottiert Israel‹ – das ist dieselbe hässliche Sprache.«