Es gibt wenige Orte in Berlin-Mitte, die mehr mit Geschichte aufgeladen sind als dieser: Das Gebäude des Bundesfinanzministeriums an der Wilhelmstraße war 1935 auf Geheiß von Hermann Göring als Sitz des Reichsluftfahrtministeriums erbaut worden. Von Ernst Sagebiel im Stil des monumentalen Neoklassizismus geplant, war es damals das größte Bürogebäude Berlins.
Nach dem Sieg der Alliierten wurde hier 1949 die DDR gegründet, der der Bau fortan als Haus der Ministerien diente. Am 17. Juni 1953 demonstrierten vor dem Gebäude Arbeiter und setzten damit den später niedergeschlagenen Aufstand in Gang. Nach der Wiedervereinigung hatte die Treuhandanstalt hier ihren Sitz, nach deren 1991 mutmaßlich von der RAF ermordeten Vorsitzenden Detlev Rohwedder das Haus 1992 benannt wurde. Heute ist es Sitz des Bundesfinanzministeriums.
ausplünderung Am 12. November 1938, nur drei Tage nach der »Kristallnacht«, fand hier eine Konferenz führender NS-Größen statt. Auf Einladung des Hausherrn Hermann Göring kamen unter anderem Propagandaminister Goebbels, Finanzminister von Krosigk, Wirtschaftsminister Funk und Gestapochef Heydrich zusammen. Das Ziel hatte Göring gleich zu Beginn der Sitzung unmissverständlich formuliert: »... die Judenfrage jetzt ... so oder so zur Erledigung zu bringen«. Auf der Zusammenkunft wurden entscheidende Weichen für die systematische Ausplünderung und die weitere wirtschaftliche Ausgrenzung der deutschen Juden gestellt.
Wenn man heute in diesem Haus arbeite, sei es wichtig, ein Gefühl für die Geschichte zu bewahren, erläuterte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in seiner Begrüßung die Beweggründe für die Gedenkveranstaltung in seinem Amtssitz: »Auf der Konferenz wurden in diesem Haus Beschlüsse in einer menschenverachtenden Sprache gefasst, die uns bis heute beschämen und die die ganze Barbarei der Nazis veranschaulichen.«
rede Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden, machte in seiner Rede anschaulich, was die Beschlüsse der Konferenz für die Verfolgten bedeuteten. Sie sahen zunächst ihrer »ökonomischen Vernichtung« entgegen. Von dieser Ausplünderung profitierten viele Deutsche – »die Bereicherung auf Kosten der jüdischen Minderheit fand schichtübergreifend statt«, betonte Korn.
Doch dabei blieb es bekanntlich nicht, auch daran erinnerte
Korn: »Niemals darf in Vergessenheit geraten, dass sich die sogenannte ›Entjudung‹ von Wirtschaft und Gesellschaft nicht auf den staatlich organisierten Raub von sogenanntem ›jüdischem Vermögen‹ beschränkte, sondern in die physische Vernichtung von Millionen Menschen mündete.«
protokoll Wie die Sprache der damals gefassten Beschlüsse klang, demonstrierte der Schauspieler Frank Arnold durch eine Lesung von Auszügen aus dem Protokoll vom 12. November 1938. Besonders seine Verkörperung des Hermann Göring, der ab Oktober 1936 als Beauftragter für den Vierjahresplan für die Aufrüstung Deutschlands und damit die Vorbereitung des Krieges zuständig war, ließ die Zuhörer erschauern.
Der Historiker Patrick Wagner von der Universität Halle ordnete die damalige Konferenz aus geschichtswissenschaftlicher Sicht ein. Der ab März 1938 beginnende Prozess der Radikalisierung des Antisemitismus des NS-Regimes habe, so Wagner, »im Novemberpogrom seinen öffentlich-gewaltsamen und in der Besprechung von 12. November 1938 seinen politisch-administrativen Höhepunkt« erreicht. Das Protokoll habe »an keiner Stelle grundsätzliche Differenzen, sondern höchstens taktische Varianten« verzeichnet.
Emotional berührte auch der Beitrag von Daniel Hope. Der Violinist, selbst Sohn einer jüdischen Familie, die vor den Nazis flüchten musste, leitete den Abend mit einer Bearbeitung von Maurice Ravels »Kaddisch« ein und beendete die Gedenkveranstaltung mit einem Stück des im Internierungslager Wülzburg umgekommenen Komponisten Erwin Schulhoff sowie einer »Sarabande« von Bach.