Kommentar

Obsessiv in Jena

Martin Krauß Foto: Stephan Pramme

Albrecht Schröter ist Oberbürgermeister von Jena, er ist Sozialdemokrat, und er kennt sich aus in der Weltpolitik. Als Ursache für die vielen Flüchtlinge, die derzeit aus dem Nahen Osten kommen, hat Schröter erkannt: »Die islamfeindliche US-Politik der vergangenen Jahrzehnte trägt ihre Früchte.« Eine Lösung hat Schröter auch parat: Deutschland müsse »aus seiner vornehmen Zurückhaltung gegenüber Israel als Besatzerstaat heraustreten«.

Dass das Unsinn ist, braucht kaum begründet zu werden: Die Menschen flüchten nicht vor dem State Department, sondern vor dem Terror in ihrem Land. Die jüngste Annäherung der USA an muslimisch geprägte Länder der Region kann man kaum als »islamfeindlich« charakterisieren, und dass eine gegen Israel gerichtete deutsche Außenpolitik irgendetwas in Syrien, in Eritrea oder auf dem Balkan ändern würde, dürfte nicht einmal Herr Schröter ernsthaft vermuten.

Bleibt die spannende Frage nach Schröters Motiv: Was treibt den Bürgermeister einer kleinen deutschen Stadt – und nicht nur ihn – dazu, an Israel zu denken, wenn Syrer, die vor Assad und dem IS fliehen, in Deutschland um politisches Asyl nachsuchen? Welcher Reflex wirkt da?

pax christi Um herauszufinden, dass Albrecht Schröter nichts gegen Juden hat, muss man ihn nur selbst fragen. Den »böswillig gegen mich erhobenen Antisemitismusvorwurf« hatte er schon vor drei Jahren zurückgewiesen, als er einen Aufruf von Pax Christi unterschrieben hatte, man solle keine »Waren aus völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen« kaufen.

Nein, sagte Schröter damals, er sei ein Freund des jüdischen Staates und habe viele Freunde in Israel, und auch die hätten solche Sorgen. Das Thema Israel beschäftigt den Lokalpolitiker. Erst im August dieses Jahres ließ der Oberbürgermeister via Pressemitteilung über die israelischen Sperranlagen wissen: »Wie ich selbst sind viele Menschen in Jena entsetzt darüber, dass ein weiteres Mal palästinensische Familien völkerrechtswidrig enteignet werden.«

Auch hier irritiert weniger Schröters Meinung, die – wenngleich von einer Minderheit – ebenfalls in Israel zu hören ist. Vielmehr fällt die Obsession auf, mit der Schröter immer und überall den jüdischen Staat in Schuld und Verantwortung sucht – sogar, wenn mittellose Syrer kommen. Wer eine israelfeindliche Politik für die Lösung der Flüchtlingskrise hält, hat kein Problem erkannt, sondern ist eines.

Nahost

EU startet Einsatz von Grenzschützern in Rafah

Die Wiedereröffnung des Grenzübergangs nach Gaza gilt als eine Voraussetzung dafür, dass das durch den Krieg der Hamas verursachte Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen gelindert werden kann. Jetzt sind EU-Experten vor Ort

 31.01.2025

Berlin

Kränze am Holocaust-Mahnmal zerpflückt und Zeugen angegriffen

Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts ermittelt

 31.01.2025

Berlin

Wolffsohn: »Wechselnde Mehrheiten für wechselnde Themen«

Der Historiker verteidigt das Vorgehen der CDU im Bundestag. Er hofft auf ein »Zurückschrumpfen« der Rechtsextremen im Parlament

 31.01.2025

Berlin

Bundestag entscheidet über Migrationsgesetz - Nur mit der AfD?

Die Union will am Freitag ihr sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz zur Abstimmung bringen. Es könnte erneut zu einer Mehrheit mithilfe der AfD kommen

 31.01.2025

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025

Studie

Wann war die AfD bei Abstimmungen wichtig?

Die AfD hat im Bundestag für eine Mehrheit des Unionsantrags für schärfere Migrationspolitik gesorgt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mehrheiten beschafft

 30.01.2025