Migrationsdebatte

Oberrabbiner kritisiert Papst

Rabbiner Pinchas Goldschmidt bei einer Privataudienz mit Papst Franziskus 2022 Foto: IMAGO/Independent Photo Agency Int.

Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz und langjähriger Moskauer Oberrabbiner, Pinchas Goldschmidt, hat in der Debatte um Zuwanderung Kritik an der Haltung von Papst Franziskus geübt.

In einem Gastbeitrag für die »Neue Zürcher Zeitung« (Ausgabe vom Dienstag) schrieb Goldschmidt: »Es reicht nicht aus, die europäischen Staaten aufzufordern, ihre Grenzen zu öffnen, oder die restriktive Politik zu kritisieren, die demokratisch gewählte Regierungen seit Jahrzehnten verfolgen. Stattdessen sollten der Papst und andere ihre Stimme gegen die vielen schädlichen Regime, gescheiterten Regierungen und deren Profiteure in der Welt erheben, die ihrer eigenen Bevölkerung schaden und unzählige Menschen zur Flucht auf unseren Kontinent treiben.«

Man könne nicht nur Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im eigenen Land fordern und darauf bestehen, dass Europas Staaten ihre Grenzen öffneten, ohne sich gleichzeitig um die Lage in Afrika oder Asien zu kümmern, so der in Zürich geborene Rabbiner, der nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine 2022 Russland verließ und ins Exil ging. Im Mai wurde Goldschmidt der Aachener Karlspreis verliehen.

»Migration allein ist nicht die Lösung«

Papst Franziskus hatte es vor kurzem als »schwere Sünde« bezeichnet, Migranten, die auf der Suche nach Sicherheit das Mittelmeer überquerten, Hilfe zu verweigern. Die Zurückweisung von Migranten sei ein »moralisches Versagen«. Die Bibel gebiete ein globales Migrationsmanagement auf der Grundlage von »Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Solidarität« zu organisieren.

Wenn die katholische Kirche versuche, mit ihren Lehren die politische Richtung Europas zu beeinflussen, habe jeder Europäer das Recht, seine Zustimmung oder Ablehnung zu bekunden, schrieb Pinchas Goldschmidt. Der Appell des Papstes entspringe zwar dem Wunsch, Menschen zu helfen. Doch so mitfühlend seine Botschaft auch sei, spiegele sie nur eine Dimension eines sehr komplexen Themas wider, schrieb der Rabbiner.

»Migration allein ist jedoch nicht die Lösung, und pauschale, unspezifische Forderungen nach einer Lockerung der Migrationspolitik sind oft problematisch. Migration muss Hand in Hand mit Integration gehen, und dafür müssen einige grundlegende Konzepte verstanden werden.«

Der Papst empfing bei einem Indonesien-Besuch Anfang des Monats auch MigrantenFoto: IMAGO/Independent Photo Agency Int.

Zuwanderer hätten die Pflicht, sich in ihren Gastländern zu integrieren, so Goldschmidt. Die Bibel erwartet von niemandem, dass er sein Haus für einen Fremden öffne, wenn er dadurch Gefahr laufe, ermordet, vergewaltigt oder ausgeraubt zu werden. Weder ein Individuum noch eine Gesellschaft seien verpflichtet, sich selbst zu zerstören, um einem anderen zu helfen, der versuche, sie zu zerstören.

Zudem müsse eine verantwortungsvolle Migrationspolitik, die auf Barmherzigkeit beruhe, klug umgesetzt werden. Goldschmidt warf Franziskus vor, bestimmte Bibelstellen unvollständig zu zitieren, um seinen Aufruf zur Unterstützung von Migranten zu untermauern. »Dieselben Bibelstellen betonen auch den gegenseitigen Respekt und die Integration«, betonte der Rabbiner in seinem Gastbeitrag. Auch die biblische Anweisung »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« implizierte Rücksichtnahme von beiden Seiten.

Es gehe ihm nicht darum, das Leid der Zuwanderer in Abrede zu stellen, so Goldschmidt. Es müsse aber in der Migrationsdebatte »ein Gleichgewicht zwischen Offenheit und dem Bedürfnis nach sozialer Stabilität, Sicherheit und dem Fortbestand der Demokratie im Westen« geben. »Um Spannungen und offene Konflikte zu vermeiden, muss unser Mitgefühl durchdachter, ganzheitlicher und langfristiger sein.« mth

Genf

Deutschland und europäische Partner sprechen mit dem Iran

Es geht auch um das Atomprogramm und Angriffe auf Israel

 29.11.2024

Berlin

Maccabi Tel Aviv siegt gegen Alba Berlin, keine Vorkommnisse

450 jubelnde Maccabi-Fans spornten die israelischen Spieler an

 29.11.2024

Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Die Nathan Peter Levinson Stiftung erinnerte an ihren Namensgeber

 28.11.2024

Berlin

Polizei bei Maccabi-Spiel mit 1500 Beamten im Einsatz

Aus Sorge vor Protesten und Ausschreitungen wird das Spiel von Maccabi Tel Aviv in Berlin massiv geschützt

 28.11.2024

Krefeld

Sieben Stolpersteine gestohlen

Der Staatsschutz der örtlichen Polizei ermittelt

 28.11.2024

Dokumentation

RIAS: Höchstzahl antisemitischer Vorfälle in Berlin

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin hat ihren Halbjahresbericht vorgestellt

 28.11.2024

Berlin

Vor Maccabi-Spiel: Gefährderansprachen und Messerverbot

Das heutige Basketballspiel steht laut Senatorin Iris Spranger unter besonderem Schutz der Polizei

 28.11.2024

Berlin

Israelfeindliche Hacker kapern Instagram-Konto der CSU

Die Partei vermutet einen Zusammenhang mit der Israelreise von Alexander Dobrindt

 28.11.2024

Berlin

Freie Universität: Versuchte Besetzung durch israelfeindliche Aktivisten

Die Polizei ist vor Ort

von Imanuel Marcus  28.11.2024 Aktualisiert