Alle zwei Jahre führt die Journalistin Gundula Gause durch die Gala zur Eröffnung der »Woche der Brüderlichkeit«. 2012 war sie das erste Mal dort engagiert. In jenem Jahr ging die Auszeichnung an den Theologen Nikolaus Schneider, damals Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gause moderierte auch, als das versöhnliche Schaffen von Micha Brumlik (2016) und Peter Maffay (2018) sowie im vorigen Jahr des Sport-Präsidenten Peter Fischer (Eintracht Frankfurt) und von Makkabi Deutschland, vertreten durch Alon Meyer, gewürdigt wurde. Als 2020 Angela Merkel mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt wurde, fand der Festakt wegen der Pandemie nur im kleinsten Rahmen statt.
In ungeraden Jahren zeichnen die Sendeanstalten der ARD für die Übertragung verantwortlich, also auch am Sonntag um 11.30 Uhr, wenn die Woche der Brüderlichkeit 2023 mit der Auszeichnung der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum im Erfurter Theater eröffnet wird. Dass das ZDF die Mainzer Journalistin mit dieser Moderationsaufgabe betraut hat, liegt auch daran, dass sich Gundula Gause starkmacht für ein friedliches Miteinander, für einen intensiven Austausch der Religionen. Sie selbst lebt ihren christlichen Glauben sehr bewusst und stellt ihre persönliche Haltung in den Kontext eines verbindenden Miteinanders, nicht allein, aber auch zwischen Christen, Juden und Muslimen. Seit Jahren träumt sie von einer Reise nach Israel, die auch schon konkret geplant, aber wegen der filigranen Sicherheitslage im Nahen Osten immer wieder verschoben wurde.
Frau Gause, sollte es endlich einmal zu der gewünschten Reise kommen, welche Fragen hätten Sie dann im Gepäck?
Ich würde dieses Land, diese Region im Nahen Osten gern besser verstehen können. Häufig sind Israel und die Palästinensergebiete ja Nachrichtenthema. Gerade in diesen Wochen scheinen sich Gewalt und Gegengewalt wieder hochzuschaukeln. Mich interessiert die Geschichte dieses Landes, die ja eine ganz besondere ist. Ich würde gern das christliche, das jüdische und das muslimische Israel kennenlernen. Meine Kernfrage wäre: Wie ist Frieden dort möglich?
Wie stellen Sie sich die Reise vor?
Rein privat, aus touristischem und historischem Interesse. Es gibt einige Verbindungen in die christliche Szene sowie auch andere Kontakte nach Israel, nicht zuletzt über Michael Bewerunge, unseren ZDF-Studioleiter in Tel Aviv. Und Christian Sievers, der dieses Studio fünf Jahre geleitet hat und jetzt mein »heute journal«-Kollege ist, hat mir einen Kollegen sehr ans Herz gelegt, der mit mir ins Westjordanland reisen könnte. Allerdings wird daraus wegen der aktuellen Unruhen wohl wieder nichts.
Möchten Sie auch die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen?
Auch das wollen wir versuchen. Aus meiner Sicht wird der Holocaust auf immer Teil der deutschen Geschichte sein. Eine Last, die mich persönlich bedrückt. Die Millionen Todesopfer, das unendliche Leid, das Juden durch den deutschen Nationalsozialismus zugefügt wurde – grausam und unerträglich. Ich trauere mit den Betroffenen, mit den Hinterbliebenen. Das Wissen um den Holocaust muss erhalten bleiben, das »Nie Wieder« ist eine meiner Lebensleitlinien. Dafür muss ich persönlich nicht unbedingt in Yad Vashem gewesen sein. Aus vielen Fernsehberichten haben sich mir die Bilder von dort eingeprägt. Sollte es jetzt zu der Reise kommen, würde ich mich gern mit dem Nebeneinander und dem Miteinander der Religionen beschäftigen: den Felsendom, wie erlaubt, von außen sehen, die Klagemauer, das christliche Jerusalem. Gern würde ich Orte in Israel aufsuchen, die mit Leben gefüllt sind.
Wo erleben Sie heute de facto jüdisches Leben in Deutschland?
Leider viel zu selten, und das stimmt mich traurig. Ich erfahre manchmal erst im Nachhinein von Veranstaltungen der Jüdischen Gemeinde in meiner Heimatstadt Mainz. Die Neue Synagoge, die 2010 eröffnet wurde, ist ein spektakuläres Gebäude. Spannend finde ich, dass Mainz, mit Speyer und Worms, zum Verbund der SchUM-Städte gehört und damit zum Weltkulturerbe der Vereinten Nationen. Eine ganz wichtige und überfällige Entscheidung der UNESCO: Diese drei Städte bilden gemeinsam das erste jüdische Welterbe in Deutschland. Das Akronym SchUM setzt sich aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen Städtenamen Schpira, Warmasia und Magenza zusammen. So wird jüdisches Leben in Deutschland erfahrbar gemacht – und das sind gute Nachrichten, die Antisemitismus entgegenwirken. Denn leider wird jüdisches Leben in Deutschland in der Berichterstattung überwiegend von Meldungen über Gewalt gegen Juden, über Aggressionen und Attacken überschattet. So erlebe ich jüdisches Leben in Deutschland leider immer noch und immer wieder und zu oft als bedrückendes Nachrichtenthema.
Da zählt die Berichterstattung über die Woche der Brüderlichkeit also zu den rühmlichen Ausnahmen?
So ist es. Ich finde es übrigens wunderbar, dass die offizielle Eröffnung immer wieder in einer anderen Stadt stattfindet. Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die sich im veranstaltenden Deutschen Koordinierungsrat organisieren, gibt es ja in mehr als 80 Städten. Somit steht immer eine Stadt besonders im Fokus – mit Vorträgen, Konzerten und vielen anderen Veranstaltungen. Der Festakt zur Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille erfolgt in einem sehr sensiblen Rahmen. Da muss gut überlegt sein, welche Worte man wählt. Es geht hier ausdrücklich um die christlich-jüdische Zusammenarbeit, um das Miteinander von Christen und Juden. Gleichwohl gehen die Fragen und Themen, die dort verhandelt werden, alle an, egal, ob man religiös ist oder nicht.
Als Nachrichtenfrau ist es Ihr Anspruch und Ihre Pflicht, stets möglichst sachlich und objektiv zu berichten. Wann fällt es Ihnen schwer, die Contenance zu wahren?
Besonders betroffen macht mich immer wieder Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. Gerade in diesem Jahr des Kriegs in der Ukraine. Ich frage mich auch, was in Selbstmordattentätern vorgeht, die in Moscheen gehen und dort im Namen des IS Anschläge verüben. Sie reißen Gläubige in den Tod – im Moment des Gebets. Ich verstehe diese Menschen nicht. Insofern bedrückt mich jede dieser Meldungen von sinnloser Gewalt. Als ich in den ersten Tagen nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien die Bilder sah, wo noch Tage danach Menschen gerettet wurden, da hat es mich im Studio sehr plötzlich heftig mitgenommen. Zu sehen, wie nach 50, 60, 80 Stunden des ganz vorsichtigen Grabens an einer Stelle jemand lebend gerettet wurde, das hat mich so bewegt, dass ich mich wirklich ganz bewusst zusammenreißen musste. Und das war ja ein Glücksmoment, das war etwas Positives, eine gute Nachricht!
Was hilft Ihnen angesichts solch erschütternder Ereignisse dabei, die innere Balance zu halten oder auch wiederzufinden?
Ich engagiere mich. Denn es kann sich nur im Tun etwas bewegen. Dazu erlebe ich meinen christlichen Glauben als etwas wirklich Stabilisierendes. Ich verstehe auch die Menschen, die mit Religion hadern, aber ich persönlich finde im Glauben Trost und Zuversicht und Hoffnung. Das ist für mich ein Geschenk. Grundsätzlich betrachte ich Religion als ein Wertegerüst. Das finde ich wichtig, denn solch eine Orientierung kann Menschen eine Hilfe sein – in ihrer jeweiligen Religion, in ihrem jeweiligen Ethos. Dabei ist für mich das oberste Gebot die Friedfertigkeit, die Nächstenliebe.
Mit der Journalistin sprach Claudia Irle-Utsch.
Gundula Gause arbeitet seit 1989 als Journalistin beim ZDF in Mainz, zunächst als Moderatorin der »heute«-Nachrichten und des Magazins »Nachbarn« sowie sechs Jahre lang des »ZDF-Morgenmagazins«. Die gebürtige Berlinern ist seit 1993 ist sie Co-Moderatorin im »heute journal«. Besonders prägend waren für sie die Jahre an der Seite von Wolf von Lojewski und Claus Kleber. Ehrenamtlich engagiert sich die Protestantin unter anderem beim katholischen Hilfswerk »missio«. 2013 wurde ihr das Verdienstkreuz am Bande für ihren sozialen Einsatz in vielen Bereichen verliehen. Gundula Gause lebt in Mainz. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.