Judenfeindliche E-Mails, Hassartikel im Internet – in zahlreichen Artikeln über die Hetze, der die scheidende Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, ausgesetzt war, klingt mit, dass die antisemitischen Attacken der Grund für den anstehenden Rückzug der Studentin aus ihrem Amt seien.
»Die Berichterstattung war stark übertrieben«, sagt Weisband jedoch der Jüdischen Allgemeinen. »Und ganz sicher waren diese wenigen Vorfälle nicht der Grund dafür, dass ich mein Amt aufgeben werde. Insgesamt sind es vielleicht acht bis zehn Mails gewesen, plus ein Text auf einer obskuren Internetseite, in der ich unter anderem als Agentin des Judentums bezeichnet wurde.«
Es fällt jedoch auf, dass die Reaktionen der Piratenpartei-Anhänger auf diese Website – im Gegensatz zu den sonst bei jeder Gelegenheit gern entfachten Empörungsstürmen – mit rund 20 Kommentaren unter dem Hass-Artikel sehr zurückhaltend ausfielen. Weisband stört das nicht. Antisemiten gebe es ihres Wissens nach nicht in der Partei: »Ich kenne jedenfalls keine Mitglieder, die mir ins Gesicht sagen würden, dass sie Juden hassen.«
Israel Im Forum und in den Mailinglisten der Partei stößt man allerdings immer wieder auf User, die sich als Antizionisten bezeichnen und bis hin zu wüsten Verschwörungstheorien ungehemmt antisemitische Klischees verbreiten. »Antizionsten gibt es in der Partei durchaus«, sagt Weisband und fügt hinzu: »Natürlich sehe ich Antisemitismus und Antizionismus als ernsthaftes Problem, von dem viele andere Juden stark betroffen sind, die in der Öffentlichkeit stehen.« Sie persönlich werde dagegen kaum angegriffen: »Wenn ich mich öffentlich sehr positiv über Israel äußern würde, wäre es wohl anders.«
Gleichwohl hat die 24-Jährige beschlossen, sowohl Antisemitismus als auch »Antizionismus als falsch verstandene Israelkritik« weiter öffentlich zu thematisieren. »Ich suche nach Wegen, wie man beispielsweise den historischen Ursprung des Antisemitismus aufzeigen kann.«
Aber nicht nur das macht Weisband Sorgen: »Es gibt eine regelrechte Hasswelle, egal ob sie sich gegen Juden, Muslime, Arbeitslose richtet, die Neigung, die eigene Unzufriedenheit auf eine gesellschaftliche Gruppe zu projizieren, ist enorm groß.«
Öffentlich präsent sein will die Psychologiestudentin auch nach ihrem Rückzug vom Parteiamt. Aber ob sie während ihrer Diplomarbeit weiter gefragt ist, »das entscheide ja nicht ich, sondern das ist Sache der Redaktionen«.