»Palandt«

NS-Jurist auf dem Umschlag

Steht auf den Schreibtischen vieler Juristen: der »Palandt« Foto: dpa

Der Name »Palandt« ist den meisten Jurastudenten in Deutschland wahrscheinlich ein Begriff, prangt er doch seit mehr als 80 Jahren auf dem Umschlag des Standardkommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch aus dem Verlag C.H.Beck, wo das Werk aktuell in der 78. Auflage erscheint. Die einstigen »Beck’schen Kurzkommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch« haben mittlerweile einen Umfang von 3300 Seiten und sind damit alles andere als kurz.

Der Jura-Wälzer ist nach Otto Palandt (1877-1951) benannt, einem der führenden Juristen der Nazizeit. 1934 wurde Palandt von Justizstaatssekretär Roland Freisler zum Präsidenten des Reichsjustizprüfungsamtes und Abteilungsleiter im Reichsjustizministerium ernannt. Er zeichnete unter anderem für die Juristenausbildung im Dritten Reich verantwortlich.

Otto Palandt zeichnete unter anderem für die Juristenausbildung im Dritten Reich verantwortlich.

Freislers Auftrag an Palandt war es auch, dafür zu sorgen, dass in den BGB-Kommentaren »das nationalsozialistische Gedankengut hinreichend berücksichtigt« werde. Otto Palandt war zwar bis zur 10. Auflage Mitautor und Herausgeber des Buches, er steuerte aber nur ein Vorwort und eine Einleitung bei.

ENTNAZIFIZIERUNG Die Vorarbeit zum »Palandt« hatten da schon andere geleistet. Vor 1933 war der jüdische Verleger Otto Liebmann für die Edition der »Kurzkommentare« verantwortlich, musste seinen Verlag nach der Machtergreifung der Nazis aber verkaufen. Später zeichnete Gustav Wilke für den Kommentar verantwortlich. Der verstarb bei einem Autounfall und wurde von Otto Palandt ersetzt. Nach dem Krieg wurde dieser trotz seiner prominenten Rolle im NS-Justizwesen »entnazifiziert« und blieb auch über seinen Tod 1951 hinaus Herausgeber des Buches.

Seit zwei Jahren werden die Rufe nach einer Umbenennung des »Palandt« immer lauter. Jetzt hat der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen (AKJ) an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Streichung von Palandts Namen als Herausgeber des Standardwerks gefordert.

ERINNUNGSKULTUR Es fehle an den Jura-Fakultäten in Deutschland an »kritischer Reflexion«, sagte Luzia Ferenschild der Münchner »Abendzeitung« – auch, wenn manche Professoren das Problem zu Beginn des Studiums ansprächen.

Jüngst machten die AKJ-Aktivisten in München auf das Problem aufmerksam und versahen mehrere Exemplare des BGB-Kommentars in der Bibliothek mit einem alternativen Umschlag. Auf ihm wurde Otto Liebmann als Herausgeber genannt. Man wolle damit die Erinnerungskultur weg von den Tätern und hin zu den Opfern der NS-Diktatur lenken, erklärte der AKJ.

Der Verlag hält von den studentischen Forderungen nach Umbenennung des Standardwerkes allerdings wenig.

Der Verlag hält von den studentischen Forderungen nach Umbenennung des Standardwerkes allerdings wenig. Der Name »Palandt« habe sich längst von der Person des ursprünglichen Herausgebers gelöst, argumentiert man dort. Außerdem bleibe so die Geschichte der Entstehung des Werkes präsent. Das sieht der Münchner AKJ ganz anders: Mit der Beibehaltung von Palandts Namen setze der Verlag einem Täter ein Denkmal.

MAUNZ Bereits 2017 hatte der Verlag die Streichung von Palandts Namen abgelehnt, obwohl das Bundesjustizministerium damals Sympathien dafür bekundete. Neben dem »Palandt« gibt es im C.H.Beck-Verlag ein weiteres Standardwerk, das nach einem in der NS-Zeit aktiven Juristen benannt ist.

Der Grundgesetzkommentar »Maunz/Dürig« trägt den Namen des Staatsrechtlers Theodor Maunz. Er trat 1964 nach Bekanntwerden seiner NS-Vergangenheit als bayerischer Kultusminister zurück, veröffentlichte aber bis zu seinem Tod 1993 unter Pseudonym Artikel in der rechtsextremen »National-Zeitung«. Auch dieses Buch erscheint bei C.H.Beck.

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