Gut eine Woche haben die thematischen Arbeitsgruppen von CDU, CSU und SPD verhandelt. Jetzt sickerten einige der Papiere, die dort ausgearbeitet wurden, an die Presse durch.
In der Außenpolitik verständigten sich Verhandler auf eine Stärkung der Bundeswehr. Diese müsse ihre Aufgabe zur Landes- und Bündnisverteidigung »uneingeschränkt erfüllen« können, heißt es im Papier der Arbeitsgruppe 12 »Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte«, das der Jüdischen Allgemeinen vorliegt. Die umfassende Unterstützung der Ukraine soll ebenfalls Maxime deutscher Außenpolitik werden, damit das Land sich »gegen den russischen Aggressor effektiv verteidigen und in Verhandlungen behaupten kann.«
Gegen das Atomprogramm des iranischen Mullah-Regimes will Deutschland auch weiter im Konzert mit seinen Verbündeten vorgehen. »Wir unterstützen die internationalen Sanktionen gegen das iranische Regime und setzen uns weiterhin entschieden dafür ein, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen. Wir werden den Druck erhöhen, indem wir Sanktionslücken umfassend schließen, Menschenrechtsverteidiger und vor allem Frauen gezielt unterstützen«, heißt es in dem Papier.
Knackpunkt Waffenlieferungen
Auch Israel soll nach dem Willen der künftigen Koalitionäre von Deutschland unterstützt werden. Allerdings sind einige zentrale Aspekte noch strittig. Sie müssen nun von der Leitungsgruppe, der die Partei- und Fraktionschefs beider Seiten angehören, noch »geeint« werden, wie das im Verhandlungsjargon heißt. Diese Punkte sind farblich besonders markiert, wobei blau für die Position der CDU/CSU steht und rot für die der SPD.
Ein Knackpunkt bleibt die Frage, ob die 2012 ausgesetzte Wehrpflicht wiedereingeführt werden soll. Die Union befürwortet dies, während die SPD auf einen freiwilligen Wehrdienst setzt. Und auch in puncto Israel liegen beide Seiten noch nicht auf einer Wellenlänge. Zwar besteht Einigkeit bei der Verurteilung des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und bei der grundsätzlichen Unterstützung der Verteidigungsfähigkeit des jüdischen Staates und einem Friedensprozess für eine Zweistaatenlösung. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sollen weiterhin deutsche »Staatsräson« bleiben.
Doch beim Wie gibt es Meinungsverschiedenheiten. CDU und CSU formulieren ihre Haltung so: »Wir werden uns mit neuer Intensität für die Unterstützung Israels bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit einsetzen. Die Weltgemeinschaft darf eine nukleare Bewaffnung des Iran nicht zulassen. Wir treten der Finanzierung von Terrororganisationen entgegen und werden Israel in den internationalen Foren, wie den Vereinten Nationen, stärker unterstützen. Bei Rüstungsgütern, die Israel für seine eigene Sicherheit braucht, unterliegt Israel keiner Exportbeschränkung.«
Die bisherige Bundesregierung hatte bei den Rüstungsexporten gezögert und sich dafür Kritik eingehandelt. Die Aufhebung jedweder Exportbeschränkungen für Rüstungsgüterlieferungen an Israel wäre ein bedeutender Schritt. Denn bislang wird jeder einzelne Antrag auf Ausfuhr eingehend geprüft und vom Bundessicherheitsrat entschieden. Würde die Kriterien künftig gelockert, käme dies eine Gleichstellung Israels mit den NATO-Staaten nahe in puncto Waffenexporte.
Und auch die deutsche Förderung des Palästinenserhilfswerks UNRWA will die Union auf den Prüfstand stellen. »Ohne umfassende Reform wird Deutschland die UNRWA nicht weiter finanzieren«, steht in blauer Farbe im Papier der Arbeitsgruppe.
Position zu Nahostpolitik und Rüstungsexporten an Israel noch offen
Bei beiden Punkten haben die Sozialdemokraten offenbar noch Bauchschmerzen. Sie schlagen einen ganz anderen Text vor, in dem es heißt: »Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind unverhandelbar und Teil der deutschen Staatsräson. Es bedarf dringend eines neuen Anlaufs für die Zweistaatenlösung. Die aktuelle Siedlungspolitik Israels widerspricht geltendem Völkerrecht. Pläne zur Annektierung von palästinensischen Gebieten lehnen wir ab. Die katastrophale humanitäre Lage im Gaza-Streifen muss sofort beendet werden.«
Ein Kompromiss, der beide Positionen vereint, scheint dennoch noch möglich. Insgesamt will die künftige Bundesregierung deutsche Interessen stärker auf internationaler Bühne vertreten, auch im Rahmen ihrer Rüstungsexportpolitik. So verständigten sich die Verhandler auf folgende Formulierung: »Wir richten unsere Rüstungsexporte stärker an unseren Interessen in der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik aus. Wir wollen eine strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik, welche der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, ihren ausländischen Partnern sowie ihren Kunden Verlässlichkeit gibt.« Zu diesen Partnern dürfte auch Israel gehören.