Wenn junge »Fridays for Future«-Aktivisten die Regierung kritisieren, spricht man von einer politisierten Jugend. Doch wenn jüdische Jugendliche in Deutschland eine Regierungspolitikerin kritisieren, ist es ein »politischer Eklat«.
Auf der Jewrovision, dem größten jüdischen Jugendevent Deutschlands, wurde Claudia Roth vom Publikum ausgebuht. Schnell fanden sich »50 jüdische Prominente« zusammen, um sich hinter die Kulturstaatsministerin zu stellen. In ihrem offenen Brief behaupten die Unterzeichner ohne jeglichen Beweis, dass es sich bei den Buhrufen um eine orchestrierte Aktion gehandelt habe.
Selbst wenn diese Behauptung stimmen sollte, was nicht der Fall ist – warum wäre das ein Problem? In Deutschland hat jeder das Recht, eine Politikerin zu kritisieren. Junge Juden etwa nicht?
bds, iran, documenta Niemand muss klatschen, wenn eine Politikerin spricht – erst recht nicht bei der Anzahl schwerer politischer Fehler, die die Kulturstaatsministerin zu verantworten hat. In der Causa Roth sind es drei Schlagworte: BDS, Iran, documenta. Immer wieder war die jüdische Gemeinschaft von dem Agieren der Kulturstaatsministerin enttäuscht.
Claudia Roth sagte inmitten der Buhrufe auf der Jewrovision richtigerweise: »Das ist Demokratie. Und ich nehme diese Kritik an.« Daraus folgt: Es ist jedem frei überlassen, ob er klatscht, schweigt, buht oder geht. Das ist Demokratie, das ist Pluralismus.
In dem offenen Brief der Roth-Unterstützer steht: »Kulturschaffende brauchen eine politische Umgebung, in der sie ungehindert arbeiten können. Viele Juden gestalten in Deutschland den Kulturbetrieb mit – es muss liberaler Konsens bleiben, dass Religionsgemeinschaften keinen Einfluss darauf nehmen.« Sollen Juden es also schweigend hinnehmen, wenn in Kunst und Kultur Judenhass verbreitet wird? Wir kämpfen weiter gegen Antisemitismus – auch ohne die Unterstützung der »50 jüdischen Prominenten«.
Der Autor ist Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).