Antisemitismus

»Niemand kann die Gefahr leugnen«

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus Foto: Marco Limberg

Herr Klein, mehr als die Hälfte der Deutschen glaubt an Verschwörungsmythen, der Antisemitismus ist jüngst deutlich gestiegen. Was kann die Politik tun?
Was mich besonders bedrückt, ist die Anfälligkeit in der Mitte der Gesellschaft. Auf den Corona-Demos laufen bisher politisch unauffällige Bürger Seite an Seite mit Querdenkern, Esoterikern und Reichsbürgern. Antisemitische Verschwörungsmythen wirken da offenbar wie eine Art klebriger Kitt. Ich begrüße, dass der Verfassungsschutz inzwischen sehr genau hinschaut. Es muss uns aber auch noch stärker gelingen, die Zivilgesellschaft dafür zu motivieren, im Alltag Hass und Hetze entgegenzutreten.

Was sollte eine neue Bundesregierung vorrangig umsetzen?
Ich bin der Auffassung, dass mehr in eine lebendige Erinnerungskultur investiert werden muss. Wer über Anne Frank wirklich Bescheid weiß, wagt da keine Gleichsetzung mit Opfern des Nationalsozialismus. Es ist wichtig, dass hierzu im Koalitionsvertrag ein Kapitel eingefügt wird. Darüber hinaus sollte die Zivilgesellschaft gestärkt und das Gesetz zur Förderung der wehrhaften Demokratie rasch auf den Weg gebracht werden. Die Bekämpfung von Antisemitismus muss ein Querschnittsthema werden.

Laut Deutschem Richterbund werden antisemitische Beleidigungen je nach Bundesland unterschiedlich von den Staatsanwaltschaften verfolgt. Wie kann das sein?
In unserem föderalen Staatswesen ist es nicht ungewöhnlich, dass es solche Unterschiede gibt. Ich werbe jedoch dafür, dass sich die Länder über ein einheitliches Vorgehen gegen antisemitische Straftaten einigen.

Sie sind seit gut drei Jahren im Amt. Was war bislang die größte Herausforderung?
Das war sicher der schreckliche Anschlag von Halle. Er markiert einen Einschnitt: Niemand kann nunmehr die tödliche Gefahr durch Antisemitismus leugnen – und zwar für unsere gesamte Gesellschaft. Bekanntlich waren die beiden Todesopfer des Anschlags keine Juden.

Ist Deutschland heute besser gewappnet als vor zwei Jahren? Gerade die Justiz wirkt manchmal überfordert.
Die Bundesregierung hat seinerzeit schnell reagiert und nur gut drei Wochen nach dem Anschlag ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen. Mit dem Gesetz gegen Hass und Hetze im Internet gibt es zudem ein weiteres wichtiges Instrument, um gegen Antisemitismus vorzugehen. Ich begrüße es sehr, dass etliche Staatsanwaltschaften eigene Antisemitismusbeauftragte berufen haben. Aber immer noch werden entsprechende Straftaten nicht rasch und konsequent genug verfolgt. Das muss geändert werden.

Mit dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus sprach Michael Thaidigsmann.

Reaktionen auf das Abkommen

»Ein Gefühl der Freude in den Adern des jüdischen Volkes«

Politiker und jüdische Organisationen weltweit haben mit Freude auf das Abkommen zur Freilassung der Geiseln reagiert – Donald Trump lobte sich selbst

 15.01.2025

Gazakrieg

Scholz: Waffenruhe Chance für dauerhaftes Kriegsende

Der Bundeskanzler reagiert erleichtert auf eine Einigung über einen Geisel-Deal zwischen Israel und der Hamas

 15.01.2025

Berlin

Berichte über Gaza-Deal: Jubel und Festnahmen in Neukölln

Israel und die Hamas haben nach Medienberichten eine Vereinbarung erzielt. Prompt zieht das auch Menschen in Berlin-Neukölln auf die Straße

 15.01.2025 Aktualisiert

Nahost

Trump über Geiseln: »Sie werden in Kürze freigelassen«

Der künftige US-Präsident Donald Trump äußert sich zum Abkommen zwischen Israel und der Hamas

 15.01.2025

Nahost

Israel und Hamas einigen sich auf Geisel-Deal und Feuerpause

Die Hintergründe

 16.01.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Trump-Berater: Hamas darf keine Rolle in Gaza spielen

Als Sicherheitsberater stand Mike Waltz früh für Trumps neue Regierung fest. In einem Podcast skizziert er schon einmal die Stoßrichtung der USA in Bezug auf die Lage in Nahost

 15.01.2025

Meinung

98-mal Hoffnung

Melody Sucharewicz sieht die Hamas entschieden geschwächt und bangt mit ganz Israel um die Geiseln in Gaza

von Melody Sucharewicz  15.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025