Es war eine harte Woche für Bettina Stark-Watzinger und eine, die sie so schnell nicht vergessen dürfte. Am Sonntag gab die Bundesministerin für Bildung und Forschung bekannt, dass sie ihre beamtete Staatssekretärin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen werde. Dafür musste sich Stark-Watzinger am Montag in der Bundespressekonferenz bohrende Fragen vieler Journalisten gefallen lassen, die sie eher genervt beantwortete.
Aus der Opposition im Bundestag und aus dem Wissenschaftsbetrieb nahm die Kritik an der FDP-Politikerin noch an Schärfe zu. Stark-Watzingers Amtskollegin in Schleswig-Holstein, Karin Prien (CDU), bezeichnete die Entlassung als »Bauernopfer«. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) forderte sogar den Rücktritt der Ministerin.
Bekenntnis zur Wissenschaftsfreiheit
Die Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen gaben ihr hingegen Rückendeckung – nach außen hin zumindest. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), lobte Stark-Watzinger, mit der Entlassung Dörings habe sie sich klar zur Wissenschaftsfreiheit bekannt. Sie müsse aber verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen, verlangte er.
Was war vorgefallen? Anfang Mai hatte eine Gruppe von israelfeindlichen Demonstranten auf dem Campus der Freien Universität Berlin (FU) ein Protestcamp errichtet und mit wüsten antisemitischen Sprechchören wie der Forderung nach einer Intifada gegen Israel für Furore gesorgt. Nachdem die FU-Leitung die Polizei gebeten hatte, das Camp zu räumen, wurde ein offener Brief von mittlerweile fast 400 Berliner Hochschullehrern publik. Darin wird die FU-Führung aufgefordert, »unsere Studierenden auf Augenhöhe zu begleiten, aber auch zu schützen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern«.
Weiter heißt es in dem Aufruf: »Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkreten Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten.« Das Präsidium der FU Berlin habe eine Pflichtverletzung begangen, indem es das Protestcamp »ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen ließ«.
Kein Verständnis für die schwierige Situation jüdischer Studenten
Von künftigen Polizeieinsätzen »gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung« derselben möge man doch bitte absehen, appellierten die Unterzeichner, denn der »Dialog mit den Studierenden und der Schutz der Hochschulen als Räume der kritischen Öffentlichkeit« müssten »oberste Priorität haben«, und beides sei mit Polizeieinsätzen auf dem Campus unvereinbar. Kritik an den Protestierern, ihren Slogans und Methoden, übten die Unterzeichner hingegen nicht. Auch Verständnis für die schwierige Situation jüdischer Studenten wurde nicht gezeigt.
Vor allem die Tatsache, dass sich die Briefeschreiber explizit gegen eine Verfolgung möglicher Straftaten wandten, rief große Kritik hervor. Die »Bild«-Zeitung prangerte den Aufruf in einem Artikel mit der Überschrift »Universitäter« an und veröffentlichte die Namen und Konterfeis einzelner Unterzeichner.
Auch Bettina Stark-Watzinger meldete sich empört zu Wort. Das Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten mache sie »fassungslos«, sagte sie dem Blatt. Anstatt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu positionieren, würden mit dem Aufruf »Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost«. Der Terror der Hamas bleibe unerwähnt, hob Stark-Watzinger hervor. Dass so etwas ausgerechnet von Lehrenden komme, sei »eine neue Qualität«, denn gerade die müssten »auf dem Boden des Grundgesetzes stehen«, so die Ministerin.
Die Ministerin habe den Vorgang erst aufklären lassen müssen. Nicht alle nahmen ihr das ab.
Hatte sie mit ihren Zweifeln an der Verfassungstreue einzelner Wissenschaftler bereits in ein Wespennest gestochen und infolgedessen Kritik auf sich gezogen, kam Anfang vergangener Woche weiteres Ungemach. Das ARD-Magazin Panorama enthüllte, ohne Namen zu nennen, die Leitung des Ministeriums habe hausintern prüfen lassen, ob die in dem offenen Brief gemachten Aussagen von strafrechtlicher Relevanz seien, und »um eine förderrechtliche Bewertung, inwieweit vonseiten des BMBF ggf. förderrechtliche Konsequenzen (Widerruf der Förderung etc.) möglich sind«, gebeten.
So stand es zumindest in einer von Panorama veröffentlichten E-Mail der Leitungsebene des Hauses an das zuständige Referat. Die Antwort war scharf formuliert: Man sei »zugegebenermaßen etwas irritiert« über die Prüfbitte, denn abgesehen von Zuständigkeitsfragen könne man »keinen prüffähigen Sachverhalt erkennen«. Es fehle, hieß es in der hausinternen Retourkutsche, »jeglicher Hintergrund zur adressierten polizeilichen Räumung sowie zur zuwendungsrechtlichen Ausgangslage«.
Eine Sprecherin dementiert
Eine Sprecherin dementierte in einer ersten Reaktion, dass überhaupt je geplant gewesen sei, wie von Panorama suggeriert, die Unterzeichner des offenen Briefs durch den Entzug von staatlichen Fördermitteln zu bestrafen. Doch wenige Tage später gab das Ministerium dann bekannt, die Prüfanfrage sei von Döring ausgegangen, die Staatssekretärin habe diese später telefonisch präzisiert. Stark-Watzinger hingegen habe erst am 11. Juni davon erfahren, dem Tag der Veröffentlichung durch Panorama.
Döring ist eine in Tübingen lehrende Philosophin. Sie amtierte erst seit Anfang 2023 als Staatssekretärin. Am späten Sonntagabend wurde sie, auch nach Druck aus den Reihen der Koalitionspartner, von Stark-Watzinger geschasst. Die Ministerin beteuerte, sie habe den ganzen Vorgang erst aufklären lassen müssen. Nicht alle nahmen ihr das ab.
Aus dem Zentralrat der Juden hieß es, dass die Zusammenarbeit mit Staatssekretärin Döring immer sehr gut und vertraulich abgelaufen sei und man sie zudem aufgrund ihrer klaren Haltung gegen Antisemitismus geschätzt habe.
Der Prüfauftrag sei aus Sicht des Zentralrats allerdings nicht angemessen gewesen, obwohl der Protestbrief der Hochschuldozenten auch in der jüdischen Dachorganisation als irritierend eingestuft wird. Die darauffolgenden politischen und internen Konsequenzen wollte man nicht kommentieren.