Einspruch

Nicht zusehen und schweigen

Josef Schuster Foto: Thomas Lohnes

Grölende Neo-Nazis, Hitlergruß und ein in Flammen stehendes Haus, in dem sich 150 Menschen aufhielten, darunter zahlreiche Kinder. Unter dem Applaus von 3000 Zuschauern wütete ein menschenverachtender Mob und nahm hilfesuchende Menschen ins Visier. Ein Bild wie aus einem Albtraum. Ein Bild wie aus einer anderen, einer dunklen Zeit. Die Staatsgewalt war hilflos.

Rostock-Lichtenhagen steht auch 25 Jahre danach als Sinnbild für die Eskalation rechtsextremer Gewalt. Es waren Zeiten, in denen sich Anschläge auf Asylbewerberheime und Fremdenfeindlichkeit häuften. Der Zentralrat der Juden in Deutschland konnte und wollte das nicht hinnehmen. Zu be-
kannt waren uns die Geschichten unserer Eltern, die von Hass gegen Minderheiten sprachen, zu präsent das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts des Unterlassens vieler Zuschauer.

Leitlinie Und so zeigte der damalige Zentralratspräsident Ignatz Bubis sel. A. durch seinen Besuch am Ort des Geschehens, dass die jüdische Gemeinschaft nicht zusehen und schweigen würde. Denn es gehört zur moralischen Leitlinie des Zentralrats, sich für Menschen und Minderheiten einzusetzen, wenn diese diskriminiert oder angegriffen werden. Dass man Bubis diesen Besuch vorwarf und meinte, seine Heimat sei doch Israel, bleibt bis heute skandalös.

25 Jahre danach fragen wir: Haben wir aus den Ereignissen gelernt? Wenn wir uns die zahlreichen Übergriffe auf Flüchtlinge in den vergangenen drei Jahren und das Erstarken von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ansehen, müssen wir dies fast verneinen. Noch immer grassieren Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.

Noch immer ist der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht für jeden selbstverständlich. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Grund zur Hoffnung gibt das Engagement vieler Bürger und Vereine. Es sollte noch mehr gefördert werden. Bei der Bekämpfung von Hass zu sparen, ist zugleich eine ungewollte Investition in Demagogie und Populismus.

Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Flossenbürg

Gedenkstättenleiter gegen rechte Instrumentalisierung von Bonhoeffer

Die politische Vereinnahmung durch evangelikale Rechte in den USA sei unerträglich, sagt Jörg Skriebeleit

 06.02.2025

Bonn

Wahl-O-Mat startet heute

Rechtzeitig vor der Bundestagswahl am 23. Februar geht der Wahl-O-Mat wieder online. Nutzer können dabei mit 38 Thesen herausfinden, welche Partei am besten zu ihren politischen Ansichten passt

 06.02.2025

Berlin

Streit um Welfenschatz: Stiftung gesprächsbereit

Eine Gruppe jüdischer Besitzer verkaufte 1935 enorm kostbare Goldschmiedearbeiten. Geschah das unter Zwang? Die Frage ist auch nach mehr als 15 Jahren nicht endgültig geklärt

 06.02.2025

Berlin

Geisel-Fotos bespuckt und Sicherheitsmitarbeiter bedroht

Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen

 05.02.2025

Kommentar

Antisemitismus: Was ist da los in Berlin?

Die judenfeindlichen Straftaten sind rückläufig. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Ein Bundesland sticht negativ hervor

von Michael Thaidigsmann  05.02.2025

Teheran

Nach Trump-Äußerungen: Iran deutet Gesprächsbereitschaft an

Der amerikanische Präsident bringt seine neue Iran-Politik in Stellung. Experten sehen Zeichen der Entspannung in den belasteten Beziehungen

 05.02.2025

Meinung

Die Union kämpft für den Erhalt der Demokratie

Warum die Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz falsch und geschichtsvergessen ist

von Michael Wolffsohn  05.02.2025

Meinung

Die Union legitimiert die AfD und diffamiert alle Migranten

Friedrich Merz schafft ein Umfeld, in dem Ideen gedeihen, die sich kein Demokrat wünschen kann

von Liora Jaffe  05.02.2025

Appell

Reißt euch zusammen!

Die Parteien der demokratischen Mitte müssen in der Migrationspolitik endlich Kompromisse eingehen – alles andere stärkt die Extremisten

von Ayala Goldmann  05.02.2025