Am vergangenen Donnerstag haben die Bundeskanzlerin sowie die Länderchefs die Errichtung einer Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus beschlossen. Sie haben das einen Meilenstein genannt. Warum?
Wir haben jetzt zum ersten Mal ein Gremium, in dem Länder und Bund in einer Struktur systematisch Probleme und Lösungsmöglichkeiten besprechen und sich austauschen können. Die Vielzahl der Maßnahmen im Kampf gegen Antisemitismus liegt in der Kompetenz der Länder. Das betrifft unter anderem die Stärkung und Sensibilisierung von Polizei und Justiz oder die Ergänzung der Juristen- und Lehrerausbildung. Es ist zielführend, diese Themen gemeinsam anzugehen, nicht jedes Land für sich allein.
Sie haben das Gremium mit der Kultusministerkonferenz verglichen. Zeigt die nicht deutlich, dass beispielsweise im Bereich Schulen doch jedes Land allein agiert?
Natürlich entscheidet am Ende jedes Bundesland für sich. Aber die zwei informellen Treffen der Antisemitismusbeauftragten, die wir bereits hatten, zeigten bereits, wie erfolgreich die Vernetzung funktioniert, was bei der Aktion aller Antisemitismusbeauftragten gegen eine unerträgliche Plakatwahlwerbung der Partei »Die Rechte« zu sehen war. Das ist ein konkretes Beispiel dafür, wie wir gemeinsam vorgehen können. Ich stelle mir vor, dass Länder auch ihre Initiativen präsentieren und damit andere inspirieren, wie beispielsweise Bayern als erstes Land die Antisemitismusdefinition jetzt in den Landesbehörden anwendet, in Polizei- und Lehrerausbildung. Es ist wichtig, dass wir eine Kommission haben, in der alle Länder vertreten sind und in der wir gemeinsame Beschlüsse fassen können.
Sie haben am Mittwoch eine von der »Zeit«-Stiftung initiierte Aktion vorgestellt. Worum geht es dabei?
Betroffene und Zeugen antisemitischer Vorfälle sind oftmals unsicher, wie sie reagieren sollen, wenn sie in ihrem Umfeld Judenhass wahrnehmen. Dieses Projekt gibt Argumentationshilfen und Handlungsempfehlungen. Es ist eine Aktion aus der Zivilgesellschaft, an der sich Initiativen und Einzelpersonen beteiligen. Das ist genau das, was wir brauchen: dass sich die anständigen Menschen zusammenschließen und zeigen, dass wir keinen Antisemitismus in unserer Mitte dulden.
Wie bewerten Sie es, dass Ihr Aufruf zum »solidarischen Kippatragen« kaum jemanden erreicht hat?
Ich weiß, dass dennoch viele den Appell zur Kenntnis genommen und sich Gedanken gemacht haben. Das symbolische Kippatragen ist auch nicht die einzige Möglichkeit, Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft zu zeigen. Ich hätte mir mehr Teilnehmer gewünscht, bin aber nicht entmutigt. Allein die Tatsache, dass so viel berichtet wurde und das Thema wieder eine so hohe Aufmerksamkeit erfahren hat, ist ein gutes Zeichen.
Mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung sprach Detlef David Kauschke.